Schloss der Engel: Roman (German Edition)
werde ich dich ein wenig beraten, damit du die besten Sachen nicht übersiehst.«
Ich verkniff mir die Frage, ob er heute seinen hilfsbereiten Tag habe, und schnappte mir einen leeren Teller.
»Susan wartet schon auf dich, anscheinend hat deine italienische Kleidung es ihr angetan«, fuhr Christopher im nachsichtigen Kindergärtner-Plauderton fort.
Schneller, als ich reagieren konnte, nahm er mir den Teller ab, stellte mit gezieltem Griff einen Milchkaffee und ein paar Leckereien – darunter einen Schokoladenmuffin – auf einem Tablett zusammen und bugsierte mich zu seinem Tisch. Ich war viel zu perplex, um mich zu wehren. Und da Susan mich mit einem amüsierten Grinsen empfing und ich nicht als nörgelnde Zicke dastehen wollte, schwieg ich – dieses Mal. Auch wenn er hier als Tutor arbeitete, ich war jedenfalls kein Kleinkind, das er bevormunden konnte.
»Hi Lynn – tolle Wahl!« Leise, nur für mich hörbar, fügte Susan mit einem raschen Blick auf Christopher hinzu: »Ich hoffe, du genießt die Aufmerksamkeit.«
Ich wollte mit einer schnippischen Antwort kontern, doch Christopher kam mir zuvor.
»Was tuschelt ihr zwei da?«
»Nichts, was für deine Ohren bestimmt wäre.« Susan wechselte geschickt das Thema und beschwerte sich über ihren Kursplan. »Ich hab heute Morgen Lanze und Harfe auf dem Programm. Langsam beginne ich dieses Instrument zu hassen! Allein bis ich alle Saiten richtig gestimmt habe, dauert es sicher wieder eine Ewigkeit. Und du weißt ja, dass Emus besonderen Wert auf einen harmonischen Klang legt.«
Christopher grinste. Ein ehrliches Lächeln, das ich ihm wohl nie entlocken würde.
»Das wird schon, mit ein klein wenig Geduld.«
»Du hast gut reden. Dein Unterricht wäre mir lieber.«
»Bei Rafek?« Christopher schien überrascht. »Ich helfe ihm den ganzen Tag – auch am Nachmittag bei der Betreuung der Neuen.«
Ich ignorierte seinen fragenden Blick und schwieg angesichts der eigenartigen Kurse und Namen der Lehrer.
»Immer noch besser als Amiras Tee !« Susan verzog angewidert ihr Gesicht und nahm einen kräftigen Schluck Orangensaft.
Christopher schenkte ihr ein weiteres Lächeln, bevor er sich an mich wandte. »Und in welchem Fach wirst du heute unterrichtet?«
Ich presste meine Lippen aufeinander, während der letzte Rest meiner guten Laune verschwand. War das ein Spiel zwischen den beiden? Oder wollten sie mich für blöd verkaufen? Aber mit einer dämlichen Antwort konnte ich immer dienen. Abgesehen von meinem Auftritt auf der Treppe war ich nicht völlig auf den Mund gefallen. Also antwortete ich ins Blaue hinein mit »Schwertschwingen«.
»Was, jetzt schon? Warum wirst du schon jetzt mit dem Schwert unterrichtet? Ich muss mich bestimmt noch eine Weile mit dieser blöden Lanze rumschlagen. Hattest du denn schon Unterricht, bevor du hierhergekommen bist?« Susan hatte meine Antwort aufgegriffen und wartete nun gebannt auf eine Erwiderung.
Und so fuhr ich in überlegenem Tonfall fort: »Ja klar! Schon eine ganze Zeitlang.«
»Und, wie ist er so?«, bohrte Susan weiter.
»Wer?«, irritiert schaute ich zu Christopher, der uns mit wachsendem Interesse zuhörte.
»Na, Ekin, der Schwertmeister. Normalerweise testet er jeden, bevor man in seinen Kurs darf. Ich habe gehört, dass er wirklich wie ein Engel aussieht.«
Mein Blick huschte zu Christopher. Wenn hier einer aussah wie ein Engel, dann war er es. Ich zwang mich, ihn nicht anzustarren – nicht dass er dachte, ich würde ihn anschmachten. Obwohl es mir zugegebenermaßen schwerfiel, mich von seiner Erscheinung loszureißen – wenn er nicht gerade seinen bösen Blick aufsetzte.
»Ich, na ja, ich denke, das muss jeder für sich selbst entscheiden«, antwortete ich ausweichend.
Ein Sonnenstrahl, der sich im See brach, funkelte zum gegenüberliegenden Fenster herein und brachte Christophers Haare zum Leuchten – von Goldfäden durchzogenes Sonnenblond. Ich setzte ein gelangweiltes Lächeln auf, da er bemerkte, dass ich ihn doch anstarrte.
Als ich das Schulgebäude betrat, um im Sekretariat meinen obligatorischen Lernplan abzuholen, wurde ich von einem kleinen, untersetzten Mann aufgehalten.
»Du bist neu hier. Ich sehe dich heute zum ersten Mal. Du willst bestimmt deinen Stundenplan abholen.« Ohne auf meine Zustimmung zu warten, kramte er ein kleines, goldschimmerndes Büchlein hervor, das eher einem Notepad als einem Notizbuch glich.
»Wie war noch mal dein Name?«
»Lynn«, antwortete ich. »Nun ja,
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