Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schloss der Engel: Roman (German Edition)

Schloss der Engel: Roman (German Edition)

Titel: Schloss der Engel: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Itterheim , Jessica Itterheim
Vom Netzwerk:
schmerzverzerrtes Gesicht erblickte. Seinen blutverschmierten Körper, der über rotglühenden Flammen röstete. Doch was mir das Herz zerriss, waren seine dunklen Augen, die mich anflehten, erlöst zu werden, da seine verstümmelte Zunge nicht mehr fähig war, Worte zu formulieren.
    Ich zögerte nicht und griff nach seinen Fesseln. Die Eisenschellen waren glühend heiß. Erschrocken zuckte ich zurück. Wie konnte Philippe das aushalten? Ich hätte mir die Seele aus dem Leib geschrien.
    Ein grausamer Gedanke durchfuhr mich: Besaß er überhaupt noch eine? War er noch der Philippe, den ich kannte? War es überhaupt der Philippe, den ich kannte? Er war kein Weichei, doch diese Tortur würde er nicht so einfach ertragen. Niemand würde das. Zumindest niemand, der noch lebte!
    Ich sah in seine Augen. Sie wirkten beseelt, aber sie waren es nicht – nicht mehr. Der Lebensfunke war erloschen.
    Ich drehte mich um. Ich konnte nichts mehr für ihn tun, selbst wenn ich ihn rettete und dabei alles verlor. Philippes Seele war tot. Gestorben. Auch wenn sein Körper noch lebte. Das konnte ich nie wiedergutmachen.
    Tränenüberstömt rannte ich die Treppe nach oben. Der Totenwächterin war ich nicht gewachsen – ihrem heimtückischen Spiel. Sie wusste es. Und Christopher wusste es – nur ich nicht. Ich hatte seine Warnung in den Wind geschlagen. Durch meinen Starrsinn Philippes Seele verspielt. Christopher wäre außer sich, wenn er das wüsste. Doch woher sollte er? Das Einzige, was mich noch beschützte, war das Kreuz, das die Wächterin entdeckt hatte, bevor sie mich in ihr Reich verschleppte. Ich war hineingekommen – also musste es auch einen Weg hinaus geben.
    Der Palast war seelenlos, wie immer, und niemand hielt mich auf, als ich im Morgengrauen das Schloss verließ. Statt der weiten Hügellandschaft empfing mich ein sorgfältig angelegter Garten, der angesichts seiner Größe durchaus als Park durchgehen konnte. Ich ließ mich nicht blenden von dieser Schönheit. Die Totenwächterin hatte damit gerechnet, dass ich fliehen würde – und hinter mir das Tor verschlossen.
    Ich kämpfte die Tränen zurück. Die Wächterin wollte meineVerzweiflung sehen – ich sie ihr aber nicht zeigen. Ich würde hier rauskommen. Lebend. Vorausgesetzt, sie hielt sich an ihr Versprechen, mich wieder gehen zu lassen. Doch darüber wollte ich im Augenblick nicht nachdenken.
    Ich kehrte dem Schloss den Rücken, um einen Platz zu suchen, an dem ich mich verstecken konnte. Wo ich die Augen schließen, das Totenreich ausblenden und meine Trauer über Philippe zulassen durfte. Sein Anblick hatte sich in mein Gedächtnis eingebrannt. Sein seelenloser Blick.
    Ein Steinweg führte mich in einen von silberglänzenden Hecken umgebenen Skulpturenpark. Statuen in allen Formen und Größen, gemeißelt nach menschlichen, tierischen oder sonstigen Vorbildern, schmückten die weitläufige Gartenanlage. Eine zog mich besonders an: die Figur eines Engels.
    Mein Herz erstarrte, als ich vor ihm stand. Es war das Grab eines Engels. Das fehlende Gegenstück des Marmorengels, der die Kapelle am See bewachte: Simons Grab.
    Ich fühlte Tränen in mir aufsteigen, als ich die Inschrift las.
    Erkannt
berührt
geküsst
begehrt
unendliche Liebe
für immer verloren
auf ewig getrennt
    Für immer verloren – auf ewig getrennt! War das das Schicksal, wenn man einen Racheengel liebte? Sah so meine Zukunft aus? Würde ich sterben und Christopher niemals wiedersehen?
    »Erst jetzt habe ich begriffen, wie glücklich er war.«
    Ich wirbelte herum. Christopher stand vor mir. Aufgewühlt stürzte ich in seine Arme. Seine Hände umschlossen mich,versteckten mich vor der Welt der Totenwächterin und ihrem grausamen Spiel, und ich fand, wonach ich gesucht hatte: Sicherheit und Trost.
    Viel zu schnell löste er sich von mir. »Ich kann nicht bei dir bleiben. Aber ich kann dir helfen, von hier wegzukommen.«
    »Und dann?!« Ich hatte Christopher zu lange vermisst, um ihn wieder ziehen zu lassen.
    »Dann werden wir sehen.« Christopher erstickte meinen Protest mit einem flüchtigen Kuss. Ich wollte mehr, doch er schob mich von sich. »Versprich mir, von hier zu verschwinden.«
    »Glaubst du, mich hält hier irgendetwas? Es sei denn ...« Meine Tränen kehrten zurück. Ich barg mein Gesicht an Christophers Brust. Er wartete, bis ich mich ein wenig beruhigt hatte, bevor er nachhakte.
    »Philippe. Er ist ...«, ich brach ab, um mich erneut zu sammeln. Wenn ihm jemand helfen konnte, dann ein

Weitere Kostenlose Bücher