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Schloss der Engel: Roman (German Edition)

Schloss der Engel: Roman (German Edition)

Titel: Schloss der Engel: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Itterheim , Jessica Itterheim
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gestaltet, verliehen den Räumen einen eigenwilligen Charakter.
    Die Eingangshalle und der Treppensaal wirkten düster und kalt – so wie ich es im Totenreich erwartet hatte –, der Empfangsraum dagegen fröhlich und heiter, wie das Feuer, mit dem er erhellt wurde. Die Totenwächterin liebte es offensichtlich, nicht nur mit verunsicherten Seelen, sondern auch mit dem Feuer zu spielen. In jedem Raum flackerte ein andersfarbiges Licht. Mal schimmerte warmes Gelb, mal kühles Blau oder nebulöses Grau in den Wand- und Deckenschalen und – wie ich mit einem Gefühl zwischen Entsetzen und Faszination feststellte – in den bizarr geformten Fenstern. Auch hier brannte ein Feuer. Hauchdünn, so dass man hindurchsehen konnte, doch stark genug, dass es die Form der Öffnung veränderte, die darum kämpfte, die lodernden Flammen zu bändigen.
    Das Einzige, was fehlte, waren Untertanen. Das Schloss war leer. Wie ausgestorben. Vielleicht war es das ja auch. Doch wozu dann die vielen Räume? Ich würde mich unwohl fühlen, wenn ich allein in diesem riesigen Palast leben müsste.
    »Nimm Platz«, forderte die Totenwächterin mich auf und deutete auf ein brokatbesetztes Sofa, das neu aussah.
    War es das, oder wurde es nur selten benutzt? Oder hinterließen die Gäste der Totenwächterin keine Spuren, da es für gewöhnlich Geister waren? Inzwischen gefiel mir die Vorstellung, meine Seele aufs Spiel zu setzen, immer weniger. Aber hatte ich eine Wahl gehabt? So oder so wäre ich bei ihr gelandet. Noch am Leben zu sein war eindeutig die bessere Alternative.
    Ich setzte mich auf das beängstigend bequeme Sofa und bezwang meinen Impuls, mich hineinzukuscheln. Es passte sich meinem Körper an, als wäre es für mich gemacht.
    Die Totenwächterin bemerkte meine Reaktion und lachte wieder amüsiert. Offenbar fand sie Gefallen an ihrem neuen oder vielleicht sogar einzigen Spielzeug, das noch atmete.
    Trotz meines Unbehagens ließ ich meinen Blick durch den eleganten Saal schweifen: ein kunstvoll gearbeiteter Sekretärnebst Stuhl und zwei bequem aussehende Ohrensessel vor einem raumhohen Bücherregal. Alles im Stil vergangener Jahrhunderte und doch so gut wie unberührt. Die Welt der Totenwächterin war wunderschön, ihr Palast geschmückt mit liebevollen Details, und dennoch hatte sie niemanden, mit dem sie ihren Reichtum teilen konnte.
    Ein Gefühl von Traurigkeit erfasste mich. Die Wächterin entschied über das Schicksal von Tausenden, aber keiner war geblieben.
    »Etwas zu essen? Oder zu trinken?«
    Die Wächterin riss mich aus meiner trüben Stimmung. Ich lehnte ab. Nebenwirkungen auslösende Getränke kannte ich schon.
    »Dann werde ich dir kurz die Regeln erklären, bevor ich dich in deinen Wohnflügel begleite.«
    Meine Alarmglocken schrillten endlich los: Sie hatte einen ganzen Wohntrakt für mich reserviert? Ein Zimmer hätte es für eine Nacht auch getan – es sei denn, sie rechnete damit, dass ich länger blieb. Hatte sie mich ausgetrickst, da sie mich nur hierbehalten konnte, weil ich noch am Leben war? Vermutlich! Und ich hatte beinahe Mitleid mit ihr gehabt.
    Obwohl ich am liebsten geflohen wäre, blieb ich sitzen. Sie erklärte die Regeln. Sie zu kennen würde mir helfen, heil aus diesem Schlamassel herauszukommen.
    »Du darfst dich frei bewegen und alles anfassen, aber nichts mitnehmen, es sei denn, ich erlaube es dir. Das ist alles, was du zu beachten hast. Gelingt dir das, kannst du hingehen, wo immer du möchtest.«
    »Auch ins Schloss der Engel?«, hakte ich nach.
    »Ja. Auch dorthin«, bestätigte sie.
    Während die Wächterin mich über weitläufige Flure zu meinem Wohnflügel führte, hämmerte ich mir die Regeln ins Gedächtnis. Anfassen: ja – mitnehmen: unter keinen Umständen!
    Mein Gemach – anders konnte man die mit einem gigantischen Himmelbett, blumenverzierten Möbeln und dem überdimensionierten Home-Spa ausgestatteten Wohnräume kaum nennen – erstreckte sich über drei Etagen. Alles vom Feinsten. Prima für ein Luxuswochenende, aber nicht auf Dauer.
    Ich verzichtete auf das spitzenverzierte Seidennachthemd, auch wenn ich es beim Tragen nur berühren und nicht mitnehmen würde, und legte mich in meinen Kleidern ins Bett. Auch hier passte sich der Untergrund meinen Bedürfnissen an. Ich versank in der Matratze, fühlte mich sicher und geborgen – beinahe wie in Christophers Armen.
    Mit einem Satz war ich aus dem Bett. Auch wenn ich mir nichts sehnlicher wünschte, als bei ihm zu sein, so weit ließ

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