Schloss der Engel: Roman (German Edition)
Engel, vor dem sich die Totenwächterin fürchtete. »Er ist im Verlies. Die Wächterin hat ihn gefoltert und ... und seine Seele geraubt.«
Christophers Miene zeigte keine Regung. Wahrscheinlich war es das, was die Totenwächterin üblicherweise machte. Trotzdem kam er mir entgegen.
»Wenn du mir versprichst, sofort aufzubrechen, werde ich sehen, was ich für ihn tun kann.«
Christophers Tonfall gefiel mir nicht. Außerdem klang sein Angebot nach Erpressung. Trotzdem stimmte ich zu. Vielleicht fürchtete er, ich könnte etwas Dummes tun und ihm folgen.
»Geh den Kiesweg entlang, bis er sich gabelt. Dann folge der rechten Abzweigung, bis du einen Pavillon siehst. Auf seiner Rückseite findest du ein Tor. Schließ es auf, und geh hindurch. Dann bist du in Sicherheit.« Christopher kramte einen kleinen goldenen Schlüssel hervor. »Hier, nimm! Damit kannst du das Schloss öffnen.«
Ich griff nach dem Schlüssel, doch als ich ihn berührte, fiel es mir wieder ein: Du darfst alles anfassen, aber nichts mitnehmen!
»Was ist los?«
Christophers sanfte Berührung, mit der er eine verirrte Strähne aus meinem Gesicht strich, vertrieb die Zweifel. Langsam näherte sich sein Mund meinen Lippen. Ich bemerkte das diabolische Funkeln in seinen Augen, doch es war zu spät. Mit roher Gewalt presste er meine Faust um den Schlüssel, drängte seinen Mund auf meine Lippen, zwang sie auseinander und küsste mich mit einer Brutalität, die ich kannte – aus meinen Träumen. Scharfe Klauen fuhren über meinen Rücken. Spitze Fänge umschlossen meinen Mund.
Ich schrie, doch mein Hilferuf wurde von einem erbarmungslosen Kuss erstickt. Ich wehrte mich und befreite meine Hand aus seiner Umklammerung, aber er zog mich nur noch fester an sich. Erst als der Schlüssel aus meinen Fingern glitt, ließ er mich los und gab seine wahre Gestalt zu erkennen, bevor er sich in nichts auflöste.
Ich presste die Hand vor den Mund, da ich zu würgen begann. Es war eine Frau. Sie glich dem Monster, von dem ich geträumt hatte, nur dass sie Flügel hatte – die Gleichen wie Christopher.
Kapitel 26
Der Pakt
D ie Erinnerung an Christopher kehrte zurück. Der Schmerz, von ihm getrennt zu sein, war niemals größer. Doch wenn ich ihn wiedersehen wollte, musste ich kämpfen – gegen die Totenwächterin und ihre dämonischen Seelenräuber. Was auch immer mir in Christophers Gestalt erschienen war, ein zweites Mal würde ich nicht darauf hereinfallen – wen auch immer die Totenwächterin schickte.
Hoffnung keimte in mir auf. Vielleicht war es gar nicht Philippe gewesen, den ich in dem Verlies gesehen hatte. Es konnte ebenso gut eine Täuschung gewesen sein. Ein Versuch, mich in die Arme ihres Dämons zu treiben. Blieb die Frage, wo es sicherer war: im Schloss oder hier draußen.
Ich entschied mich gegen feste Mauern, als die aufgehende Sonne das dämmrige Phosphatblau der Hülle in strahlendes Türkis verwandelte. Auch wenn die Steinskulpturen durch das sich im Wasser brechende Licht beinahe lebendig wirkten, konnte ich hier wenigstens sehen, was – oder wer – auf mich zukam.
Ich setzte mich zu Füßen des Engels, zog die Beine an und legte den Kopf auf meine Knie. Der Marmorengel erinnerte mich an die Kapelle am See – und an Christopher. Auch wenn er ihm nicht ähnlich sah. Es reichte, um mir ein wenig Halt zu geben in einer Welt, die mir Angst einjagte. Die Totenwächterin würde mir sicher bald mit einer neuen Überraschung auflauern.
Sie ließ nicht lange auf sich warten. Obwohl mich ihre Wahlenttäuschte. Mit raschen Schritten eilte Christopher mir entgegen. Ich blieb sitzen. Äußerlich gelassen, innerlich brodelnd. Doch nicht nur ich war wütend.
»Was um alles in der Welt machst du hier?!«
»Rumsitzen und warten, bis die Zeit vergeht.«
Mein schnippischer Kommentar brachte das, was immer mich auch anschaute, zur Weißglut. Gewaltsam riss es mich hoch und starrte mir in die Augen.
Ich zuckte zusammen. Dieses Mal hatte die Totenwächterin Christophers Jadegrün genau getroffen. Selbst der Duft stimmte.
»Lass mich los«, fauchte ich. »Was auch immer du bist, sag der Wächterin, dass ich nicht zweimal auf denselben Trick reinfalle. Da muss sie schon etwas kreativer werden, wenn sie mich zum Bleiben überreden will.«
»Lynn!« Das Christopher-Double schüttelte mich. »Erkennst du mich nicht?«
»Doch. Ich weiß ganz genau, wer und was du bist.«
Mein Gegenüber schien erleichtert. Es ließ mich los, und ich trat schnell ein
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