Schloss der Engel: Roman (German Edition)
ihren kastanienbraunen Schillerlocken nicht so recht zu Sebastians taffer Beschreibung passen wollte. Sie tat mir leid. Doch zu meiner Überraschung war sie nicht weniger amüsiert als alle anderen. Sie musste sich ihrer Freundschaft ziemlich sicher sein. Bestimmt waren die meisten von ihnen Internatsschüler und keine Feriengäste.
Würden sie mich auch so einstimmig aufnehmen? Ich spürte, wie Aron mich beobachtete. Er nickte mir zu, als hätte er meine Gedanken erraten, was wahrscheinlich nicht besonders schwer war: Ich war die Neue und hatte noch keine Freunde.
Das Gelächter schwoll bedrohlich an, als Sebastian mit ausgebreiteten Armen, auf einem Bein balancierend, wie eine betrunkene Fliege hin und her schwankte, während er weitersprach.
»Mit ausgestreckten Armen stürzte sie mutig hinab – und landete mit einem ziemlich beeindruckenden Klatscher im Wasser.«
Andy und Lara, die neben Leonie saßen, krümmten sich vor Lachen und auch die anderen amüsierten sich prächtig, selbst Paul konnte nicht an sich halten. Ich wollte die Stimmung nicht verderben und fiel halbherzig mit ein, obgleich ich die Geschichte nicht gerade lustig fand.
Aus den Augenwinkeln sah ich, dass nicht nur Aron mich beobachtet hatte. Christopher musterte mich vom Nachbarfeuer aus. Also legte ich schnell noch ein bisschen zu und wischte mir eine nicht vorhandene Lachträne aus den Augen. Sollte er ruhig glauben, ich hätte unseren Disput vergessen – was natürlich nicht der Fall war.
Den ganzen Nachmittag hatte ich ihn förmlich vor der Nase. Erst nachdem ich Christophers Jacke auf dem untersten Treppenpfosten im Foyer entsorgt, meinen Rucksack in den Schrank geschlossen und gründlich gelüftet hatte, verschwand der Geruch nach hereinbrechendem Gewitter, den ich so liebte. Der jetzt aber dummerweise mit Christopher verbunden war. Blödmann! Wie konnte man nur wie ein Sommersturm riechen?!
Ich fröstelte trotz des wärmenden Feuers. Hoffentlich holte ich mir eine Erkältung – mit dickem Schnupfen!
Paul, der neben mir saß, verwickelte mich in ein Gespräch. Er war etwa in meinem Alter, mit dunkelblonden, zurückgegelten Haaren und stahlblauen Augen, und bemüht – oder von Aron angestiftet –, sich mit mir anzufreunden. Ich war ihm sehr dankbar für seine Ablenkung und schenkte ihm mein bestes Lächeln. Auch wenn er nicht verhindern konnte, dass ich hin und wieder zu Christopher hinüberlinste – warum auch immer.
»Lynn ... Lynn?« Paul berührte sanft meinen Arm. »Träumst du?«
»Ich, ja ... nein, natürlich nicht.«
»Du hattest einen so eigenartigen Blick, ich dachte schon ...«
Oh nein! Ich hatte Christopher angestarrt! War es ihm aufgefallen? Ich wagte nicht, noch mal zu ihm hinüberzuschauen, und bevor Paul weiterspekulieren konnte, fiel ich ihm ins Wort.
»Drüben, am anderen Lagerfeuer ... Ich dachte, ich hätte Susan entdeckt. Entschuldige.« Sofort wandte ich meine Aufmerksamkeit Paul zu. Hoffentlich bemerkte er im Flackerschein des Feuers nicht, dass ich rot angelaufen war.
»Hallo, ihr zwei! Löst euch nun bitte voneinander«, befahl Aron mit einem ironischen Unterton. »Auch der Rest der Schülerschaft möchte etwas von euch haben.«
Mir war entgangen, dass die Gruppe sich in der Zwischenzeit getrennt hatte und nur noch Paul und ich am Feuer saßen.
»Ich wusste nicht, dass ein Tête-à-Tête verboten ist«, scherzte ich. Ein Blick in Pauls Gesicht, das mindestens so rot war wie meines, ließ mich meinen flapsigen Spruch beinahe bereuen. Ich klopfte ihm aufmunternd auf den Rücken und stand auf.
»Na, dann woll’n wir mal auch die anderen beglücken.« Betont lässig hakte ich mich bei Paul unter und schlenderte mit ihm ans andere Ende der Lichtung – weit weg von Christopher.
Paul hatte sich schnell wieder im Griff – möglicherweise war ihm auch nur heiß geworden wegen des Feuers. Gelassen stellte er mir ein paar seiner Freunde vor. Schließlich blieb er bei Lina hängen, einer Mitschülerin seines Bogentrainings, die ihn zum Tanzen überredete.
Am liebsten wäre ich jetzt in mein Zimmer zurückgekehrt, aber dann hätte ich an Christophers Lagerfeuer vorbeigehen müssen. Also setzte ich mich auf einen umgefallenen Baumstamm am Rand der Lichtung und beobachtete das gesellige Treiben der Tanzenden. Die Musik war wie geschaffen für sie. Irische oder schottische Klänge – den Unterschied kannte ich nicht so genau – gaben mit ihrem einschlägigen Rhythmus einen wunderbaren Takt vor.
Weitere Kostenlose Bücher