Schloss der Engel: Roman (German Edition)
verteidigte mich Christopher.
»Ja, ich weiß, doch normalerweise genügt das. Aber auch sonst finde ich sie anders .« Aron zog das letzte Wort deutlich in die Länge.
Ich hörte, wie Christopher angespannt die Luft einzog, bevor er etwas entgegnete. Allerdings war ich zu diesem Zeitpunkt schon so müde, dass ich dem Gespräch nur noch verschwommen folgen konnte. Wahrscheinlich war es mein eigener Seufzer, nachdem ich erkannt hatte, dass ich mich gegen die Droge nicht länger zur Wehr setzen konnte.
»Gib ihr Zeit, sie hat noch nicht akzeptiert, wo sie sich befindet« war das Letzte, was ich wahrnahm – und es beunruhigte mich.
»Endlich wach?«
Ich schrak zusammen, als ich Arons Stimme hörte, obwohl er sehr behutsam mit mir sprach.
»Du hast sehr lange geschlafen, Lynn. Dafür siehst du jetztwesentlich ... ruhiger aus. Als wir dich in der Kapelle fanden, hast du einen ziemlich verwirrenden Anblick geboten.«
Plötzlich war ich hellwach. Arons zweideutige Anspielung ließ mich aufhorchen. »Wie meinst du das?«
»Nun, deine Kleider, deine Haare, alles klebte klitschnass an dir. Du hast schrecklich gezittert und trotzdem glühten deine Wangen, als hättest du Fieber.«
Ich schwieg.
Den Grund für mein Glühen kannte ich – und Aron anscheinend auch! Ich prüfte den Duft in meiner Umgebung: ein wenig Lavendel von meinem Kissen und Arons frischer Meeresgeruch – sonst nichts. Vorsichtig schaute ich mich um, doch außer Aron war niemand da.
»Wie fühlst du dich?« Aron blickte mir prüfend ins Gesicht.
Was wollte er hören? Wie euphorisch und gleichzeitig verunsichert ich mich nach Christophers Kuss fühlte? Auf dieses Eingeständnis konnte er lange warten.
»Ausgeschlafen, dank des Gebräus, das ihr Tee nennt«, grummelte ich.
Aron lachte, fröhlich und ansteckend. Ich fiel halbherzig mit ein.
»Dann lasse ich dich jetzt allein, damit du dich umziehen kannst. Offensichtlich hast du keine größeren körperlichen Schäden davongetragen« – und offenbar fand er es lustig, mich mit Christopher erwischt zu haben.
Bevor Aron zur Tür hinausging, drehte er sich noch einmal zu mir um. Sein amüsiertes Grinsen war verschwunden.
»Übrigens, ich hab dir etwas zu essen auf deinen Schreibtisch gestellt. Vom Nachmittagsunterricht bist du heute befreit. Genieß die paar Stunden bis zum Sonnenuntergang – du hast mildernde Umstände bekommen. Wenn es nach mir gegangen wäre, hättest du Zimmerarrest. Aber wage es nicht, noch einmal allein in den Wald zu gehen!«
Mein Schweigen entging ihm nicht, ich hörte den leisen Seufzer, ehe er die Tür hinter sich schloss.
In Windeseile zog ich mich an. Alles in mir drängte zu Christopher. Ich musste ihn sehen – und in seine grünen Augen blicken. Sie würden mir verraten, ob er dasselbe empfand wie ich.
Ich stolperte beinahe die Treppe hinunter, so eilig hatte ich es. In zehn Minuten war die Mittagspause zu Ende – ich hatte wirklich lange geschlafen.
Außer Atem erreichte ich das Gelbe Haus und hastete in die Kantine. Susan saß mit Paul, Leonie und Markus an einem Tisch. Von Christopher war keine Spur zu entdecken. Als Susan mich sah, sprang sie überrascht auf und eilte mir entgegen.
»Was tust du denn hier? Hat Aron dir dein Mittagessen nicht gebracht?«
»Doch, das hat er, aber ich ...«, ich suchte verzweifelt nach einer Ausrede – auf keinen Fall wollte ich direkt nach Christopher fragen. »Ich hab noch Hunger.« Ich schnappte mir einen Teller, füllte ihn mit dem Erstbesten, was mir in die Hände fiel, und setzte mich zu Susan.
Sofort bombardierten mich Paul und Markus mit Fragen über mein nächtliches Abenteuer im Wald. Selbst Leonie ließ nicht locker, bis ich ihnen alles erzählt hatte – fast alles. Christophers Kuss verschwieg ich natürlich. Nicht jeder musste wissen, was in der Kapelle passiert war. Schlimm genug, dass Aron uns gesehen hatte.
Beiläufig erkundigte ich mich nach meinem Retter. Das Einzige, was ich erfuhr, war, dass Christopher nach dem Essen auf sein Zimmer gehen wollte. Irgendwie war ich enttäuscht. Eigentlich hatte ich gehofft, dass auch er mich schnellstens wiedersehen wollte.
Susan räumte ihr Tablett zusammen und wünschte mir einen erholsamen Nachmittag, bevor sie zum Unterricht ging. Und Paul ermahnte mich – mit einem ironischen Augenzwinkern –,nahe beim Schloss zu bleiben, damit er mich finden könnte, falls ich mich noch einmal verlaufen sollte. Die Buschtrommeln funktionierten offenbar
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