Schloss der Engel: Roman (German Edition)
steckten sie in Brand. Kurz bevor ich zu Hilfe eilen und die Tür eintreten konnte, wurde ich abberufen .«
Ich sah den Zorn in Christophers Augen und kämpfte gegen den Impuls, vor ihm zurückzuweichen. Meine Angst würde seinen Glauben bestärken, dass er das todbringende Wesen war, das er hasste und das nicht fähig war, die Menschen, die er liebte, vor dem Tod zu retten.
»Mein Übergang verlief anders als der der meisten Engel. Ich wurde in Zorn und Wut wiedergeboren. Meine Ausbildung war gnadenlos und grausam. Sie steigerte diese Gefühle in mir ins Unermessliche. Lehrte mich, aus tiefstem Herzen zu hassen, und eröffnete mir dadurch den Blick auf das Böse. Dank Coelestin widerstand ich seinen Verlockungen, seinen leichtfertigen Versprechungen und wurde zu dem, was ich heute bin.«
Nun wusste ich, warum er anders war und warum es ihm so schwerfiel, meine Liebe zu ihm zuzulassen. Ich war bereit, alles zu tun, um ihn davon zu überzeugen, dass er es wert war, geliebt zu werden. Doch während Christopher fortfuhr, musterte er mich mit einer Bitterkeit, die Zweifel in mir weckte, ob ich das jemals schaffen würde. Im Augenblick schien er meine Gefühle eher zu dulden als zu glauben, dass ich ihn wirklich liebte – und das schmerzte mehr, als ich erwartet hatte.
»Es gibt nicht viele Tage, an denen der Zorn in mir schläft. Früher wurde er oft so mächtig, dass ich darum bitten musste, mich einzusperren, und noch immer fällt es mir schwer, ihn zu beherrschen.«
Christopher erhob sich – nur eine Armeslänge trennte uns voneinander, was meine Anspannung zum Zerreißen brachte. Er hatte eine Warnung ausgesprochen und mir eine elegante Möglichkeit gegeben, einen Rückzieher zu machen – oder sich selbst!
»Hier, im Schloss, bin ich abgeschottet vor dem, was außerhalb lauert. Und trotzdem ist die Wut mein ständiger Begleiter.«
Ich begann zu zittern. Er hatte eine Entscheidung getroffen, und ich fürchtete mich davor, dass er mich wegschicken könnte. Christopher bemerkte meine Reaktion. Sein Blick wurde weich und mich durchströmte ein unbändiges Glücksgefühl.
»Doch mit dir hat sich alles verändert«, flüsterte er, bevor er mich an sich zog.
Mit seiner Berührung verflogen all meine Zweifel und Fragen. Wen interessierte es, wie weit sich die Siedlung erstreckte, was mit den Menschen geschah, die keine Schutzengel wurden, und was er denn nun genau war, wenn sein Mund unwiderstehlich sanft meine Lippen streifte, sie vorsichtig erkundete, bevor er mich küsste, um dann noch mehr zu ergründen? Er liebte mich – mehr brauchte ich nicht! Dachte ich zumindest.
Auch am nächsten Morgen erwartete mich Christopher. Mit einem innigen Kuss, der mir den Atem verschlug, begrüßte er mich. Bevor wir uns zum Unterricht trennten, nahm er mich noch einmal beiseite. Ich musste blinzeln, um meine Aufmerksamkeit von seinen verführerischen Lippen abzulenken.
»Treffen wir uns zum Mittagessen?«
Christopher lockerte seine Umarmung, zugleich verhärteten sich seine Züge. »Leider nein. Ich kann nicht. Und auch heuteAbend können wir uns nicht sehen«, kam er meiner nächsten Frage zuvor.
»Dann vielleicht morgen.« Ich verbarg mein Gesicht an seiner Brust, um meine Enttäuschung zu überspielen, doch Christopher hob behutsam mein Kinn, damit ich ihm nicht ausweichen konnte, und hauchte mir einen Abschiedskuss auf die Nase.
»Versprich mir, auf Aron zu hören und keine Dummheiten zu machen, während ich fort bin.«
Ich nickte artig. Schließlich war Aron mein Tutor und für mich verantwortlich, nicht Christopher. Dennoch beschlich mich das Gefühl, wieder einmal abgeschoben zu werden. Schließlich hatte er mir weder verraten, wohin er ging, noch wann er wieder zurückkommen würde. Und seit gestern wusste ich, dass es für Christopher außerhalb des Schlosses gefährlich werden konnte – was mich nicht gerade beruhigte.
Modrige Luft strömte über die enge Wendeltreppe empor, als ich mich zu der wartenden Schülergruppe in den Keller gesellte. Dass Heilmittelkunde in einem zweiten Kellergeschoss unter einem der Türme unterrichtet wurde, übertraf selbst meine klischeehaften Vorstellungen von mittelalterlicher Medizin.
Ernesta, unsere Lehrerin, öffnete die eiserne Tür, um uns einzulassen. Ich rümpfte angewidert die Nase, da der Gestank eine Intensität annahm, die zwischen Kuhmist, ranzigem Schweineschmalz und altem Turnschuh mit einer Prise Mottenkugeln lag. Unter der gewölbten Kellerdecke entdeckte
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