Schloss der Engel: Roman (German Edition)
der Unterschied zwischen Aron und Christopher aufgefallen. Aber war es überhaupt wichtig, zu erfahren, was ihn von den anderen unterschied?
Mein Blick wanderte zu Christopher hinüber. Er wartete auf meine nächste Frage, doch ich wusste nicht, ob ich für seine Antworten bereit war.
»Drei Fragen? War das alles?« Christophers provozierender Unterton erstickte meine Bedenken.
»Sehen sich Schutz- und Wächterengel ähnlich?«
»Ja.« Christopher nickte gelassen, doch seine Züge verhärteten sich ein wenig. Er wusste, worauf ich hinauswollte.
»Warum gleichst du ihnen nicht?«
»Weil es viele verschiedene Arten von Engeln gibt, um die Aufgaben abzudecken, die sich uns stellen. Nimm zum Beispiel die Wächterengel. Sie sind Schutzengel mit besonderen Fähigkeiten, die sich im Laufe ihrer Ausbildung herauskristallisieren – so wie bei Paul.«
»Paul? Er hat besondere Fähigkeiten?!«
»Ja, die hat er. Und wenn du dich mit ihm ein wenig genauer beschäftigst, müssten sie dir auch auffallen. Oder hast du etwa ein Problem damit, dass er anders ist?«
Christophers Frage sollte gelassen klingen, doch ich ließ mich nicht täuschen und schon gar nicht fiel ich auf sein unerwartetes Ablenkungsmanöver herein, mich mit seinen funkelnden Smaragdaugen becircen zu wollen.
»Und, welche spezielle Aufgabe hast du?«
Das Leuchten in Christophers Iris verblasste und an seine Stelle trat das kalte Jadegrün. Als er antwortete, wich er meinem Blick aus.
»Ich betreue in der Schule ein paar Neuzugänge und helfe ihnen dabei, ein guter Schutzengel zu werden.«
»Und was hast du davor getan?«
Die Härte in seinem Gesicht jagte mir Gänsehaut über den Rücken. Erschrocken wich ich einen Schritt zurück, bis ich den Schmerz in seinen Augen sah. Tiefe, uralte Pein spiegelte sich darin wider. Ohne Zögern stürzte ich auf Christopher zu, schlang meine Arme um seinen Hals und erstickte seine Antwort mit einem Kuss.
»Ich will es nicht wissen«, raunte ich und versuchte, ihn am Sprechen zu hindern.
Leider hatte ich Christophers Stärke nichts entgegenzusetzen.Er schob mich von sich und hielt mich auf Abstand, wobei ich wieder die Kraft fühlte, die von ihm ausging.
»Du hast ein Recht, es zu erfahren.«
»Es ist mir egal«, versicherte ich.
»Das sollte es aber nicht. Du musst wissen, auf was du dich einlässt.« Anmutig straffte er seinen Körper und streifte mich mit dem Anflug einer Warnung im Blick, die sicherstellen sollte, dass ich ihm aufmerksam zuhörte, bevor seine Augen sich in der Ferne verloren.
»Meinem Vater gehörte das Land, der See und die alte Burg, in der ich geboren wurde. Ich war das Einzige, das ihm von seiner Liebe blieb, als meine Mutter bei der Niederkunft meines totgeborenen Bruders starb. Er schenkte mir seine ganze Zuneigung und verkörperte alles, was ich werden wollte.
Als ich acht war, zerschlug ich mit meinem Schwert vor Wut sämtliche Äpfel, die in den Gewölben eingelagert werden sollten, da er mich nicht mitnahm, um die herumziehenden Plünderer zu verjagen. Es war das letzte Mal, dass ich ihn sah. Ich war zu stolz, mich von ihm zu verabschieden, und habe ihn im Zorn verlassen.« Christophers klare Stimme war rau geworden, so dass ich den Selbstvorwurf in ihr wahrnehmen konnte.
»Mein Onkel übernahm die Vormundschaft. Er sollte sich um mich und das Anwesen kümmern, bis ich mit einundzwanzig mein Erbe antreten konnte. Doch er ließ mich spüren, dass ich nicht sein eigener Sohn war. So oft wie möglich schlich ich mich aus der Burg, um hierherzukommen. Im Dorf fand ich das, was ich verloren hatte: Zuneigung, Geborgenheit – und Liebe.«
Ich schluckte – meine Eifersucht. Vielleicht hatte ich sie auch lautstark hinuntergewürgt. Christopher war es jedenfalls nicht entgangen.
»Nein, nicht die Liebe eines Mädchens, sondern die seiner Mutter. Ich wurde zu dem Sohn, den sie nicht hatte, und zweifelsohnehoffte sie, dass ich eines Tages ihre Tochter als Gemahlin in Betracht ziehen würde.«
»Und, war sie hübsch?« Natürlich konnte ich mir diese Frage nicht verkneifen.
Christopher sah mich an und in seinem Gesicht lag so viel Zuneigung, dass ich das Atmen vergaß, denn sie gehörte nicht dem Mädchen, sondern mir. So kam ich auch darüber hinweg, dass sie groß, blond und wunderschön war.
»Als ich neunzehn war, traf mein Vormund alle Vorbereitungen, mich loszuwerden. Der Krieg kam ihm zuvor. Soldaten überfielen das Dorf, jagten alle Frauen und Kinder in die Kapelle und
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