Schloss der Engel: Roman (German Edition)
– im Gegensatz zu dir – nicht, wie sie es angestellt hat, in meine Träume einzudringen. Und heute hat sie es auch noch geschafft, mich aus dem Bett zu zerren. Wenn mich die kalte Nachtluft nicht geweckt hätte, wäre ich jetzt wahrscheinlich bei ihr.«
»Das wäre vielleicht gar nicht das Schlechteste.«
Ich sprang vom Sofa, als ich die Bedeutung von Arons Worten begriff. »Also doch?!«
Aron, der ebenfalls aufgestanden war, wartete auf eine weitere Reaktion. Vielleicht, dass ich mich auf ihn oder aus dem Zimmer stürzte. Doch ich war wie gelähmt – vor Wut und Enttäuschung.
»Warum?«, flüsterte ich, zu schockiert, um ihm selbstbewusster gegenüberzutreten.
»Weil du nicht in unsere Welt gehörst. Du musst gehen, Lynn.«
»Es ist wegen Christopher, nicht wahr? Du willst nicht, dass ich mit ihm zusammen bin, weil du denkst, dass ich zu viele Fehler mache. Dass ich mich anders entscheide – gegen ihn.« Meine Stimme wurde fester. »Das könnte ich nicht – ich liebe ihn.«
Aron lächelte ein bittersüßes Lächeln. »Vielleicht glaubst du das, aber denk daran, wie schnell du ihn aufgegeben hast. Wie leicht es dir gefallen ist, an seiner Liebe zu zweifeln. Du bist nicht stark genug für ihn.«
»Doch, das bin ich!«
Aron trat einen Schritt auf mich zu. In seiner Haltung lag Ablehnung und tiefe Gewissheit. »Deine Liebe müsste ewig währen, und das kann sie nicht.« In seiner Stimme lag beinahe Bedauern. »Du bist kein Engel.«
Meine Beine drohten nachzugeben. Schwankend suchte ich Halt und griff nach der Sofalehne.
»Du lügst!«
»Warum sollte ich?«
»Du willst mich und Christopher auseinanderbringen.«
»Nachdem ich dir geholfen habe, ihn zurückzuholen? Lynn, denk nach! Warum fällt es dir so schwer, dem Unterricht zu folgen? Wieso reagiert dein Körper immer noch so, als wärst du ein Mensch? Weshalb kannst du dich nicht an deinen Tod erinnern? Und warum gelingt es dir nicht, dich in einen Engel zu verwandeln?«
Arons Anschuldigungen versetzten mir einen schmerzhaften Stich. Tatsächlich konnte ich keine seiner Fragen beantworten.
»Bist du stark genug, um die Wahrheit zu erfahren?«
Ich nickte – eher aus Trotz als aus Gewissheit.
»Gut, dann komm mit!« Schneller, als ich ihm ausweichen konnte, packte Aron mich am Arm und zog mich auf den Flur hinaus.
»Wohin bringst du mich?«
»Zu ihr. Sie wird dir alles erklären.«
»Du ... du willst mich zur Totenwächterin bringen?« Fassungslos blieb ich stehen und befreite mich aus Arons Griff.
»Ja.«
»Ohne mich! Wenn du glaubst, ich würde auf diesen billigen Trick reinfallen, irrst du dich!«
»Lynn, sie kennt die Wahrheit.«
Ich entfernte mich von Aron, doch er hielt blitzschnell meinen Arm fest, bevor ich außer Reichweite war – dieses Mal mit deutlich härterem Griff.
»Lass mich los!«, fuhr ich ihn an.
»Du wirst mitkommen«, befahl Aron. »Ob du willst oder nicht!«
Plötzlich stand er in seiner Engelsgestalt vor mir und ließ keine Zweifel an seiner Drohung.
Er zwang mich gewaltsam die Außentreppe hinunter und schleppte mich in den Wald. Obwohl ich mich nach Kräften wehrte, hatte ich keine Chance. Kurz bevor wir die Totengruft erreichten, blieb er stehen, ließ mich los und versperrte mir mit seinen Flügeln den Rückweg. Auch wenn sie nicht so bedrohlich zuckten wie die von Christopher, flößte Aron mir Angst ein.
»Ich verspreche dir, dass dir nichts geschehen wird. Wenn du die Grenze nicht überschreitest, kann sie dir nichts anhaben.«
Ich funkelte ihn wütend an. »Lüg mich nicht an, Aron. So blöd bin ich nun auch wieder nicht! Warum sonst hättest du mich hierhergebracht, wenn du mich nicht an sie ausliefern wolltest?«
»Wie ich schon sagte: weil du kein Engel bist und einen Beweis dafür brauchst. Wenn ich unrecht habe, hast du etwas gut bei mir.« Arons Stimme wurde sanft, geradezu hypnotisierend. »Vertrau mir, Lynn. In meiner Gestalt als Engel kann ich dich nicht belügen.«
»Und das soll ich glauben?« Natürlich tat ich das nicht – wollte es nicht –, doch etwas an Arons Erscheinung ließ mich meine Meinung ändern. Außerdem hatte ich nichts zu verlieren. Aron lag falsch und würde mir bald einen Gefallen schulden.
»Also, wo ... wo ist diese Grenze?«
»Du spürst sie nicht, kein bisschen?«
»Nein! Hätte ich sonst nachgefragt? Keine Flügel – keine Grenze.« Langsam nervte Aron. Schon das war Grund genug, die Totenwächterin aufzusuchen, damit er mich endlich in Ruhe
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