Schloss der Liebe
neben ihr auf dem Boden und nähte an einem kleinen Stück weißen Leinens.
Sie hörte Marjorie sagen: »Was für wunderschöne Stiche du machst, Eloise. Du nähst besser als ich.«
»Nein, Marjorie, du bist unübertrefflich.«
Ihr Lachen tanzte durch den Saal. Einige Diener drehten sich nach ihr um. Zwei von ihnen waren Männer. Ihre hingerissenen Blicke waren unübersehbar.
»Du darfst mir nicht so schmeicheln, sonst werde ich noch hässlich, nur um dir das Gegenteil zu beweisen.«
»Wie an dem Abend, als deine Nase ganz dick und rot geworden ist?«
»Das hatte einen anderen Grund, mein Liebling. Ich hatte etwas gegessen, das mir nicht bekam. Ah, Hastings, wie geht es Severins Marder, ist er noch am Leben?«
»Ja. Severin trägt ihn ständig bei sich. Er ist zwar noch schwach, aber es geht ihm schon besser.«
»Aber es ist doch nur ein dummes Tier«, meinte Eloise.
»Ich dachte, du findest Trist schön«, meinte Hastings ruhig.
»Ich habe meine Meinung geändert.«
»Hast du vielleicht Lust, mit mir auszureiten, Eloise?« Es war der letzte Strohhalm, dachte Hastings. Sie musste noch einen Versuch machen.
Für einen kurzen Augenblick blitzte Begeisterung in Eloises Augen auf, da war sich Hastings sicher. Das Mädchen drehte sich nach Marjorie um.
»Was für eine reizende Idee, mein Liebling. Hastings könnte dir all die Plätze ihrer Kindheit zeigen.«
Severin hatte den Saal betreten, zog seine Handschuhe aus und sah Hastings an. Marjorie nickte er kurz zu, dann wandte er sich an seine Frau: »Gwent sagte mir eben, dass das Tischtuch mit dem verschütteten Wein und der restliche Wein aus dem Kelch verschwunden sind. Niemand weiß, wer sie genommen hat.«
»Dann werden wir nie herausfinden, was es war«, sagte Hastings und blickte Marjorie fest in die Augen. »Es muss Gift gewesen sein, vermutlich Mohnextrakt. Eine winzige Spur davon hilft Schmerzen zu betäuben. Nur ein wenig mehr ist tödlich. Trist hat sehr viel Glück gehabt.«
»Du hast ihm das Leben gerettet, Hastings. Du hast ihn zur Heilerin gebracht.« Aus Severins Tunika drang ein schwaches Mauzen. Severin lächelte und tätschelte die Ausbuchtung in seinem Hemd. »Heute Morgen hat er von MacDears Brühe gefressen. Und er hat nichts davon wieder erbrochen.«
»Ich weiß. MacDear war so begeistert, dass er es mir selbst erzählt hat.«
»Er wollte mir nicht von der Seite weichen, ehe Trist von der Brühe gekostet hatte.«
Wieder war ein leises Mauzen zu hören. Zwischen den Bändern an Severins Tunika tauchte eine Pfote auf. Hastings lachte und berührte sie sacht.
»Eloise und ich wollen ausreiten«, berichtete Hastings.
»Nein, ich möchte doch nicht«, sagte Eloise. »Ich habe Bauchweh.«
»O nein, mein Kleines«, sagte Marjorie und ließ ihre Näharbeit sinken. Sie befühlte Eloises Stirn. »Was hast du heute Morgen gegessen?«
»Etwas von MacDears Brot. Es hat irgendwie komisch geschmeckt und so einen sauren Geschmack im Mund hinterlassen.«
Es war so offensichtlich, dass Eloise log, dass Hastings ihr am liebsten eine Ohrfeige gegeben hätte. »Mir hat das Brot ganz ausgezeichnet geschmeckt, Eloise. Aber wenn du Bauchweh hast, gebe ich dir ein bisschen ...«
»Ich will nichts von deinen Mitteln«, wehrte Eloise ab und wich zurück. Der Wolfshund Edgar knurrte.
»Und warum nicht?«, fragte Hastings ruhig und bedächtig. Was ging hier vor? Warum hatte sich Eloises Verhalten ihr gegenüber so gewandelt? Eloises abfällige Bemerkung über ihre Mutter waren schlimm genug, aber das ging zu weit.
»Ich glaube, du warst es, die den Wein und das Tischtuch genommen hat, damit niemand herausfinden kann, welches Gift du benutzt hast. Bestimmt hast du selber das Gift in den Wein getan. Ich habe genau gesehen, wie du etwas in den Kelch geschüttet hast. Du konntest nur nicht mehr verhindern, dass Trist den Wein vom Tischtuch leckte.«
»Aha«, meinte Severin und strich über sein Kinn. »Diese Möglichkeit ist mir noch gar nicht in den Sinn gekommen. Sag mir, Eloise, warum hätte Hastings ihren eigenen Wein vergiften sollen?«
Kerzengerade und blass stand Eloise vor ihm, die Schultern nach hinten gedrückt. Marjorie betrachtete die Näharbeit in ihrem Schoß und schwieg.
»Warum, Eloise?«, fragte Severin erneut.
Das Mädchen schrie: »Hastings weiß, dass du Marjorie liebst! Sie musste irgendetwas tun, damit Ihr sie bemitleidet und aufhört, immer nur Augen für Marjorie zu haben!«
In Severins Hemdausschnitt erschien Trists Kopf.
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