Schloss der Liebe
Trist schaute Eloise an. Das Mädchen wich noch einen Schritt zurück und geriet um ein Haar ins Stolpern. Edgar der Wolfshund knurrte erneut. »Es ist wahr!« rief Eloise aus. »Ich lüge nicht. Ich habe genau gesehen, wie sie etwas in ihren eigenen Kelch getan hat!«
Sie rannte aus dem Saal.
»Wer«, fragte Hastings, ohne den Blick von Marjorie zu wenden, »wer hat den vergifteten Wein und das Tischtuch gestohlen?« Und warum, fragte sie sich. Alle wussten, dass der Wein vergiftet war, warum also sollte ihn jemand stehlen?
Kapitel Sechsundzwanzig
»Warum hat das Mädchen gelogen?«, fragte Severin.
Marjorie hielt seinem Blick stand. »Sie hat nicht gelogen. Gleich nachdem du und Hastings gestern mit dem Marder aus dem Saal gelaufen seid, hat sie mir erzählt, was sie gesehen hat.«
»Das ist Unsinn«, sagte Hastings über die Schulter und fuhr fort, vor Edgar auf und ab zu laufen.
»Warum hat sie mir dann nichts davon gesagt?«, wollte Severin wissen.
Marjorie zuckte mit den Schultern. »Das Kind ist immer noch sehr verängstigt. Du weißt ja, wie schlecht sie behandelt worden ist. Sie hatte Angst. Erst später hat sie verstanden, was Hastings da getan hatte. Zunächst hat sie sich nichts weiter dabei gedacht, als Hastings irgendeine Flüssigkeit in ihren Kelch goss. Aber später ... Wieder zuckte Marjorie mit den Schultern. »Wie ich schon sagte, sie hatte Angst.«
»Ich habe überhaupt nichts in meinen Kelch getan«, entgegnete Hastings mit gepresster Stimme. »Warum sollte ich mich selbst umbringen wollen? Und wollt Ihr damit sagen, dass ich auch den Wein und das Tischtuch gestohlen habe?« Sie schüttelte den Kopf. »Ich bin die Einzige, die hätte bestimmen können, welches Gift in dem Wein war.«
»Oder die Heilerin«, ergänzte Marjorie.
Mit einer Handbewegung gebot Severin ihr zu schweigen. »Sag mir, Marjorie, wann hat Eloise dir erzählt, was Hastings getan hat?«
»Etwa um die Zeit des Abendessens, nehme ich an.
Hastings, wartet, ich lasse nicht zu, dass Ihr Eloise wehtut.«
Hastings wirbelte herum, die Hände zu Fäusten geballt. »Ihr wehtun? Warum sollte ich dem Mädchen wehtun? Ich will nur mit ihr reden.«
»Warte einen Moment, Hastings«, sagte Severin, »wir werden uns zusammen mit Eloise unterhalten. Ich möchte wissen, was das alles zu bedeuten hat.«
Trist rollte sich in Severins Tunika zusammen und mauzte leise.
Aus der Unterhaltung mit Eloise wurde nichts, denn sie konnten sie nicht finden.
»Dann werden wir uns eben später mit ihr unterhalten«, sagte Severin. Er gab Hastings' Nasenspitze einen leichten Stups. »Das Kind irrt sich, mach dir nicht allzu große Sorgen.«
»Das Kind lügt, Severin.«
»Ja, das ist ebenfalls denkbar. Ich muss wieder zurück zu den Übungen auf dem Turnierplatz. Vergiss nicht, ich möchte dabei sein, wenn du mit Eloise sprichst.«
Hatte er Angst, dass sie dem Mädchen etwas antun könnte? Hastings presste die Hände gegen ihren Bauch. Ein leichter Schwindel überkam sie. Halt suchend griff sie nach der Lehne von Severins Stuhl. Stumm sah sie ihm nach, wie er den Großen Saal verließ. Langsam ging sie nach draußen. Es war ein strahlender Sonnentag. An anderen Tagen hätte sie das Wetter mit tiefem Glück erfüllt, aber heute nicht.
Hinter ihr sagte Marjorie: »Ihr habt seinem Marder das Leben gerettet. Damit habt Ihr mehr erreicht, als wenn Ihr von dem Wein getrunken hättet, krank geworden wäret und sein Mitleid gewonnen hättet.«
Hastings drehte sich zu Marjorie um, deren herrliches Haar ihr lose über die Schulter fiel. Im Sonnenlicht schimmerte es wie pures Silber. Sie war so schön, dass ihr Anblick fast wehtat. »Was sagt Ihr da, Marjorie?«
»Wenn Eloise Recht haben sollte, und ich glaube ihr -warum sollte ich ihr nicht glauben? -, dann habt Ihr sehr viel mehr als nur sein Mitleid erreicht. Ihr habt dieses dumme Tier gerettet. Nachdem Euch der Kelch entglitten war, habt Ihr den Marder etwas von dem vergifteten Wein trinken lassen. Ihr seid das Risiko eingegangen, Hastings. Ein hohes Risiko.«
»Glaubt Ihr allen Ernstes, ich würde Trist vergiften? Marjorie, er hätte ohne weiteres sterben können!«
»Eine eifersüchtige Frau würde alles tun, um ihre Rivalin auszuschalten. Vielleicht würde sie sogar in Kauf nehmen, dem Kind unter ihrem Herzen zu schaden, aber schließlich habt Ihr den Wein ja auch verschüttet, nicht wahr? Ihr hattet nie die Absicht, davon zu trinken.«
Hastings bückte sich, um der Ziege Gilbert über den
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