Schloss der Liebe
überließ. Er und seine Leute sind in diesem Moment in den Ställen gleich dort drüben. Dann werden wir die Pferde durch das hintere Tor führen.«
»Aber wenn die Pferde ...«
»Ich weiß. Alan hat die Männer angewiesen, ihnen die Nüstern zuzuhalten, damit sie nicht wiehern. Wir müssen auf unser Glück vertrauen, Hastings.«
Und sie dachte: Ich habe dich, wozu brauche ich da noch Glück?
Doch ihre Meinung änderte sich von einem Augenblick auf den anderen. Sie hörte den Schrei eines Mannes.
Severin befahl ihr flüsternd, dicht hinter ihm zu bleiben und rannte in die Richtung, aus der der Schrei gekommen war. Im Stall kniete ein Mann, über ihm stand Sir Alan und hielt ihm seinen Dolch an den Hals.
»Der Schwachkopf hat geschrien. Ich muss ihn töten.« Im nächsten Moment glitt die Schneide des Dolchs durch die Kehle des Mannes. Er gab ein gurgelndes Geräusch von sich und fiel zur Seite.
»Die anderen Stallburschen sind geknebelt und gefesselt. Wir müssen los, Mylord, und zwar schnell. Mylady, ich freue mich, Euch wohlauf zu sehen.«
Hastings folgte Severin, die Hand fest über Marellas Nüstern gelegt. Unwillig versuchte die Stute die Hand abzuschütteln, aber Hastings wusste, dass schon ein einziges Wiehern der Pferde ihrer aller Verderben sein konnte.
Langsam setzte sich der kleine Trupp in Bewegung. Es schien eine Ewigkeit zu dauern, bis alle hintereinander in einer Reihe durch das rückwärtige Tor hinaus gelangten. Viele der Männer stolperten, geschwächt von Krankheit, aber sie wussten nun, dass sie eine Chance hatten, mit dem Leben davonzukommen. Keiner fiel hin. Keiner sagte auch nur ein Wort. Einer nach dem anderen schleppte sich mühsam voran, bis Sir Alan als Letzter das Tor geräuschlos hinter sich zuzog.
Sie gingen noch eine Weile stumm neben den Pferden her, bis Severin eine Hand hob. »Ganz leise«, mahnte er. »Leise.«
Er hob Hastings auf Marellas Rücken und schwang sich auf seinen Hengst. Kaum hatten die Pferde ihre Nüstern wieder frei, begannen sie zu wiehern.
»Los jetzt!«, rief Severin.
Sie trieben ihre Pferde an und ritten und ritten, bis die Tiere verschwitzt und außer Atem waren. Severin hob den Arm und hielt an. »Ihr bleibt alle hier. Die Pferde sollen sich ausruhen.« Dann nickte er Sir Alan zu und ritt mit ihm den engen Kutschweg zurück.
Hastings streichelte Marellas Hals und lobte sie flüsternd, wie brav sie gewesen sei, als Severin zurückkam und sein Pferd neben ihr zum Stehen brachte. »Niemand ist uns gefolgt. De Luci weiß inzwischen mit Sicherheit von unserer Flucht. Aber er ist kein vollkommener Dummkopf. Ihm ist klar, dass wir Oxborough erreichen, ehe er uns einholen kann.«
Er beugte sich zu ihr hinüber und küsste sie fest auf den Mund. Dann tätschelte er ihre Wange. »Du bist sehr tapfer gewesen, Frau«, sagte er anerkennend und drückte seinem Hengst die Fersen in die breiten Hanken.
Erst als sie glücklich auf Oxborough angekommen waren und sich im Großen Saal versammelten, bemerkten sie, dass noch jemand von Sedgewick entflohen war.
Kapitel Zweiunddreißig
»Mylord«, sagte Lothar und trat vor, »ich muss Euch etwas sagen.«
Severin, der müde, hungrig und so erschöpft war, dass er sich am liebsten gleich neben den Wolfshund Edgar gelegt hätte, blickte den großen, stämmigen Soldaten an, der zu Sir Alans persönlichen Vertrauensleuten gehörte. »Was habt Ihr auf dem Herzen, Lothar?«
»Ihr seht, wie gesund ich bin, Mylord, und das gilt auch für meine drei Freunde hier. Es ist kein Zufall, dass es uns so gut geht. Es hat einen ganz besonderen Grund, und ich möchte Euch bitten, das sorgfältig zu bedenken, bevor Ihr ...«
»Sprich, Mann!«
»Lord Severin, Lothar hat mich mitgenommen.«
Hinter einem der anderen Männer schob sich Eloise hervor, wie ein Junge gekleidet.
»Sie hat uns das Leben gerettet, Mylord. Ehe Lord Richard sich bei uns eingeschlichen hat, war sie immer sehr freundlich zu mir. Und als ich in den Kerker geworfen wurde, brachte sie mir Essen, das ich mit den Männern in meiner Nähe geteilt habe. Wir alle überlebten und sind wohlauf. Eloise konnte nicht allen etwas zu essen bringen, sonst wäre de Luci misstrauisch geworden.«
Langsam ging Hastings auf Eloise zu und zog die raue Wollkapuze zurück. Sie glättete die Zöpfe des Kindes und strich ihm über die schmalen Wangen.
»Das verstehe ich nicht, Eloise. Komm, trink etwas Milch und iss, und dann wirst du Lord Severin und mir alles erzählen.«
Hastings
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