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Schloß Gripsholm

Schloß Gripsholm

Titel: Schloß Gripsholm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kurt Tucholsky
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mißtrauisch die verstöpselte
    Flasche und machte mit Händen und Füßen dem Verkäu-
    fer das Leben schwer; Billie warf ein Glas mit Senfgurken
    herunter, die solches aber gut überstanden, sie kamen mit
    dem Schreck davon und schäumten nur noch eine Weile
    in ihrem Essig.
    „Sieh mal, so viel Salz!“ sagte ich. Die Prinzessin sah
    das Faß an: „Als Kind habe ich immer gedacht: wenn in
    ein Salzmagazin ein Tropfen Wasser fällt, dann verzehrt er
    das ganze Lager.“ Darüber mußte ich scharf nachdenken
    und vergaß beinah, hinter den beiden herzugehn, sie stan-
    den schon auf der Straße und knabberten Rosinen. „Und
    dem Kind nehmen wir eine Puppe mit“, sagte die Prin-
    zessin. „Kommt mal rüber! Ach, bleib da — ich werde
    schon … nein, Billie kommt mit!“ Einen winzigen Augen-
    blick lang tat mir das leid; ich hätte gern mit Billie allein
    auf der Straße gestanden. Was hätten wir uns dann er-
    zählt? Nichts, natürlich.
    „Habt ihr?“ — „Wir haben“, rief Billie. „Zeigt mal“, bat
    ich. „Doch nicht hier auf der Straße!“ sagte sie. „Meinst,
    die Puppe wird sich verkühlen?“ sagte die Prinzessin und
    wickelte an dem Paket herum. Ich guckte hinein. Da lag
    ein Schwedenmädchen, in der Landestracht von Dalarne,
    bunt und lustig. Sie wurde wieder zugedeckt. „Einpacken
    ist seliger denn nehmen“, sagte die Prinzessin und band
    die Schnur zu. „Ja, dann wollen wir mal … Ob sie schießt,
    die liebe Dame?“ — „Laß mich nur …!“ — „Nein, Daddy,
    ich laß dich gar nicht. Du greifst erst zu, wenn sie frech
    wird und alles drunter und drüber geht. Sag du die Einlei-
    tung, und daß wir den Brief bekommen haben und alles,
    und dann werde ich mal mit ihr.“ — „Und ich?“ fragte
    Billie. „Du legst dich derweil in den Wald, Billie; wir kön-
    nen unmöglich zu der Frau wie ein rächender Heerhaufe
    geströmt kommen. Dann ist gleich alles verloren. Es ist
    schon dumm — hier gehts lang — schon dumm, daß wir
    zwei sind. Zwei gegen einen — da knurrt der ja schon von
    vornherein …“ — „Na, mehr als die kann man nicht gut
    knurren. Ist das ein Deubel!“ Ich hatte Billies Arm ge-
    nommen. „Arbeiten Sie hier eigentlich?“ fragte Billie. „Ich
    werde meiner Arbeit was blasen!“ sagte ich. „Nein — hier
    legen wir eine schöpferische Pause ein … Billie, Sie sind
    ein netter Mann“, sagte ich ganz unvermittelt. „Na, junges
    Volk,“ sagte die Prinzessin und machte ein Gesicht wie eine
    wohlmeinende Tante, die eine Verlobung in die Wege leitet,
    „das ist hübsch, wenn ihr euch gern habt!“ Ich hörte die
    Untertöne: in diesem Augenblick fühlte ich, daß es echte
    Freundinnen waren — hier war keine Spur von Eifersucht;
    wir hatten uns übers Kreuz wirklich gern, alle drei.
    Jetzt kam mir der Weg bekannt vor, da war das Gatter,
    und da lag das Kinderheim.
    Billie war langsam weitergegangen, wir kamen an die
    Tür. Keine Klingel. Hier sollte wohl nicht geklingelt wer-
    den. Wir klopften.
    Nach langer Zeit näherten sich Schritte, ein Mädchen
    öffnete. „Kan Ni tala tyska?“ fragte ich. „Guten Tag … ja,
    ja … was wollen Sie denn?“ sagte sie lächelnd. Sie freute
    sich offenbar, mit uns deutsch sprechen zu können. „Wir
    möchten zu der Frau Adriani“, sagte ich. „Ja … ich weiß
    nicht, ob sie Zeit hat. Frau Adriani hält grade Appell ab,
    das heißt also … sie sieht den Kindern die Sachen nach.
    Ich werde … einen Augenblick mal …“
    Wir standen in einer grau gekalkten Halle, die Fenster
    waren durch Holzleisten in kleine Vierecke abgeteilt; wie
    Gitter, dachte ich. An der Wand ein paar schwedische Kö-
    nigsbilder. Jemand kam die Treppe herunter. Die Frau.
    „Guten Tag“, sagten wir. „Guten Tag“, sagte sie, ruhig.
    „Wir kommen im Auftrag der Frau Collin in Zürich und
    möchten gern einmal mit Ihnen wegen der Kleinen spre-
    chen.“ — „Haben Sie … einen Brief?“ fragte sie lauernd.
    „Jawohl.“ — „Bitte.“
    Sie ging voran und ließ uns in ein großes Zimmer, eine
    Art Saal, hier aßen wohl die Mädchen. Lange Tische und
    viele, viele Stühle. In einer Ecke ein kleinerer Tisch, an den
    setzten wir uns. Wir nannten unsre Namen. Sie sah uns
    fragend und kalt an.
    „Da hat uns die Frau Collin geschrieben, wir möchten
    nach ihrem Kind sehn — sie könnte diesen Sommer leider
    nicht nach Schweden kommen, hätte es aber gern, wenn
    sich von Zeit zu Zeit jemand um das Kind kümmerte.“ —
    „Um das

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