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Schloß Gripsholm

Schloß Gripsholm

Titel: Schloß Gripsholm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kurt Tucholsky
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kratzen. Das tun die
    großen Kokotten alle.“ — „Danke. Übrigens hat mir Wal-
    ter erzählt: da ist er in Paris in einem cabinet particulier
    gewesen, und da hat auch eine etwas an den Spiegel ge-
    kratzt. Raten Sie, was da gestanden hat!“ — „Na?“ —
    „Vive l’anarchie! Ich fand das sehr schön.“ Wir freuten uns.
    „Gymnastizieren wir noch ein bißchen?“ fragte ich. „Nein,
    meine Herrschaften, was ich bün, ick hätt somit gienug“,
    sagte die Prinzessin und reckte sich. „Mein Pensum ist er-
    ledigt. Billie, deine Badehose geht auf!“ Sie knöpfte ihr das
    Trikot zu.
    Billies Körper war braun, von Natur oder von der
    Sonne der See, woher sie grade kam. Sie hatte zu dieser
    getönten Haut rehbraune Augen und merkwürdigerweise
    blondes Haar — echtes blondes Haar … es paßte eigent-
    lich gar nicht zu ihr. Billies Mama war eine … eine was?
    Aus Pernambuco. Nein, so war das nicht. Die Mama war
    eine Deutsche, sie hatte lange mit ihrem deutschen Mann
    in Pernambuco gelebt, und da muß einmal irgend etwas
    gewesen sein … Billie war, vorsichtig geschätzt, ein Halb-
    blut, ein Viertelblut … irgend so etwas war es. Eine fremde
    Süße ging von ihr aus; wenn sie so dasaß, die Beine ange-
    zogen, die Hände unter den Knien, dann war sie wie eine
    schöne Katze. Man konnte sie immerzu ansehn.
    „Was war das gestern abend für ein Schnaps, den wir ge-
    trunken haben?“ fragte Billie langsam und verwandte kein
    Auge von dem, was in einer nur ihr erreichbaren Ferne
    vor sich ging. Die Frage war ganz in der Ordnung — aber
    sie machte ein falsches Gesicht dazu, in leis verträumter
    Starre, und dann diese Erkundigung nach dem Schnaps …
    Wir lachten. Sie wachte auf. „Na …“ machte sie.
    „Es war der Schnaps Labommelschnaps“, sagte ich sehr
    ernsthaft. „Nein wirklich … was war das?“ — „Es war
    schwedischer Kornbranntwein. Wenn man so wie wir nur
    ein Glas trinkt, erfrischt er und ist angenehm.“ — „Ja, sehr
    angenehm …“ Wir schwiegen wieder und ließen uns von
    der Sonne bescheinen. Der Wind atmete über uns her, fä-
    chelte die Haut und spülte durch die Poren, in denen das
    Blut sang. Ich war in der Minderheit, aber es war schön.
    Meist bildeten die beiden eine Einheit — nicht etwa gegen
    mich … aber ein bißchen ohne mich. Bei aller Zuneigung:
    wenn ich dann neben ihnen ging, fühlte ich plötzlich jenes
    ganz alte Kindergefühl, das die kleinen Jungen manchmal
    haben: Frauen sind fremde, andre Wesen, die du nie ver-
    stehen wirst. Was haben sie da alles, wie sind sie unter
    ihren Röcken … wie ist das mit ihnen! Meine Jugend fiel in
    eine Zeit, wo die Takelage der Frau eine sehr komplizierte
    Sache war — zu denken, was sie da alles zu haken und
    zu knöpfeln hatten, wenn sie sich anzogen! Ein Ehebruch
    muß damals eine verwickelte Sache gewesen sein. Heute
    knöpfen die Männer weit mehr als die Damen; wenn die
    klug sind, können sie sich wie einen Reißverschluß auf-
    machen. Und manchmal, wenn ich Frauen miteinander
    sprechen höre, dann denke ich: sie wissen das ‚Das‘ von-
    einander; sie sind denselben Manipulationen und Schwan-
    kungen in ihrem Dasein unterworfen, sie bekommen Kin-
    der auf dieselbe Weise … Man sagt immer: Frauen hassen
    einander. Vielleicht, weil sie sich so gut kennen? Sie wis-
    sen zu viel, eine von der andern — nämlich das Wesentli-
    che. Und das ist bei vielen gleich. Wir andern haben es da
    wohl schwieriger.
    Da saßen sie in der Sonne und schwatzten, und ich
    fühlte mich wohl. Es war so etwas wie ein Eunuchenwohl-
    sein dabei; wäre ich stolz gewesen, hätte ich auch sagen
    können: Pascha — aber das war es gar nicht. Ich fühlte
    mich nur so geborgen bei ihnen. Nun war Billie vier Tage
    bei uns, und in diesen vier Tagen hatten wir miteinander
    keine schiefe Minute gehabt … es war alles so leicht und
    fröhlich.
    „Wie war er?“ hörte ich die Prinzessin fragen. „Er war
    ein Kavalier am Scheitel und an der Sohle,“ sagte Sibylle,
    „dazwischen …“ Ich wußte nicht, von wem sie sprachen —
    ich hatte es überhört. „Ach wat, Jüppel-Jappel!“ sagte
    die Prinzessin. „Wenn einen nichts taugt, denn solln so-
    fordsten von ihm aff gehn. Was diese Frau is, diese Frau
    ischa soo dumm, daß sie solange — na ja. Seht mal! Pst!
    ganz stille sitzen — dann kommt er näher … Und wie er
    mit dem Schwänzchen wippt!“ Ein kleiner Vogel hüpfte
    heran, legte den Kopf schief und flog dann auf, von

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