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Schloß Gripsholm

Schloß Gripsholm

Titel: Schloß Gripsholm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kurt Tucholsky
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sagte Lydia. „Bei Emp-
    fang: die Ware — das Geld, wie mein Papa immer sagt.
    Vertrauen! Vertrauen! Es gibt doch nur eine Sicherheit:
    Fußangeln. Wie?“ Merkwürdig, woher sie das hatte. So
    schlechte Erfahrungen hatte sie doch gar nicht hinter
    sich …
    Billie ging wie eine Tanzende: es federte alles an ihr. Sie
    trug eigentümliche Kleiderstoffe — ich wußte nicht, wie
    das hieß; es war buntes und grob gewebtes Zeug, heute
    zum Beispiel sah sie aus wie eine Indianerin, die sich aus
    ihrem Hochzeitszelt einen Rock geschneidert hatte … und
    so viele Armbänder! Gleich, dachte ich, wird sie die Arme
    in die Luft werfen, die schöne Wilde, und mit einem Lie-
    besruf in den Wald stürzen, zu den andern … Schade, daß
    sie kein Herz hat.
    „Seht ihr, da hinten liegt der Friedhof! Doch, wir schaf-
    fen das noch bis zum Abendbrot — also!“ Wir gingen ra-
    scher. Ein leichter Wind hatte sich erhoben, dann wurden
    die Windstöße stärker, ein hauchzarter Regen fiel. Manch-
    mal trug der Wind etwas wie Meeresatem herüber, von der
    See, von der Ostsee.
    Nun waren wir angelangt, da war eine kleine Holztür,
    und über die niedrige Steinmauer ragten alte Bäume.
    Es war ein alter Friedhof; man sah das an den verwit-
    terten, ein wenig zerfallenen Gräbern auf der einen Seite.
    Auf der andern standen die Gräber hübsch ordentlich in
    Reih und Glied … gut gepflegt. Es war ganz still; wir wa-
    ren die einzigen, die die Toten heute nachmittag besuch-
    ten — die wen besuchten? Man besucht ja nur sich selber,
    wenn man zu den Toten geht.
    „Welche Reihe …? Warte mal, das hat sie hier im Brief
    aufgeschrieben. Achtzehnte … nein, vierzehnte … eins,
    zwei … vier, fünf …“ Wir suchten. „Hier“, sagte Billie.
    Da war das Grab. So ein kleines Grab.
    WILHELM COLLIN
    GEBOREN … GESTORBEN …
    und ein paar windverwehte Blumen. Wir standen. Nie-
    mand sprach. Ob das nun der Auftritt von vorhin war oder
    die Tatsache, daß es so ein winzig kleines Grab war, dieser
    Gegensatz zwischen der Inschrift Wilhelm Collin und dem
    Hügelchen — das war doch in Wahrheit noch gar kein Wil-
    helm gewesen, sondern ein wehrloses Bündelchen Fleisch,
    das man hätte beschützen sollen … Eine Träne fing ich
    nicht mehr, sie rollte. „Heul nicht,“ sagte die Prinzessin,
    die zwinkerte, „heul nicht! Die Sache ist viel zu ernst zum
    Weinen!“ Ich schämte mich vor Billie, die uns mitleidsvoll
    ansah. Ihre Augen blickten warm. Sie sagte leise etwas zur
    Prinzessin, und als nun beide zu mir herübersahen, fühlte
    ich, daß es etwas Freundliches gewesen sein mußte. Ich
    vergaß, daß ich Billie begehrt hatte, und flüchtete zu der
    Prinzessin.
    In Gripsholm meldeten wir Zürich an.
    3
    „Da liegt sozusagen die Sittlichkeit mit der Moral im
    Streite“, sagte die Prinzessin, und wir lachten noch, als
    wir uns an den großen Tisch in unserm Zimmer setzten.
    Die Schloßfrau hatte Billie auseinandergesetzt, es wäre gar
    nicht wahr, daß „alle Schweden immer nackt badeten“, wie
    man so oft sagen hörte. Gewiß, manchmal, in den Klippen,
    wenn sie unter sich wären … aber im übrigen wären es
    Leute wie alle andern auch, wenig wild nach irgendeiner
    Richtung, es sei denn, daß sie gern Geld ausgäben, wenn
    einer zusähe.
    Draußen fiel der Regen in perlenden Schnüren.
    „Das ist aber ein fröhlicher Regen“, sagte Billie. Das
    war er auch. Er rauschte kräftig, oben am Himmel zogen
    schwarz-braune Wolken rasch dahin, vielleicht waren nur
    wir es, die so fröhlich waren, trotz alledem. Das war schön,
    hier in der trockenen Stube zu sitzen und zu sprechen.
    Was hatte Billie für ein Parfum? „Billie, was haben Sie für
    ein Parfum?“ Die Prinzessin schnupperte. „Sie hat sich et-
    was zusammengegossen“, sagte sie. Billie wurde eine Spur
    rot — schien mir das nur so? „Ja, ich habe gepanscht. Ich
    mache mir da immer so etwas zurecht …“ aber sie sagte
    die Namen nicht.
    „Billie, hilf mir mal — kannst du das? Guck mal!“ Die
    Prinzessin löste seit gestern an einem schweren Silben-
    rätsel herum. „Ich habe hier: Hochland in Asien … doch,
    das habe ich. Aber hier: Orientalischer Männername …
    Wendriner? Nein, das kann ja wohl nicht stimmen — Kat-
    zenellenbogen …? Auch nicht … Fritzchen! Sag du!“ —
    „Wie heißt er denn nun eigentlich?“ fragte Billie entrüstet.
    „Mal sagst du Peter zu ihm und mal Daddy und jetzt wieder
    Fritzchen …!“ — „Er heißt Ku-ert …“ sagte

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