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Schloß Gripsholm

Schloß Gripsholm

Titel: Schloß Gripsholm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kurt Tucholsky
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die Prinzessin.
    „Ku-ert … Dascha gah kein Nomen — wenn hei noch Fä-
    nenand oder Ullerich heiten deer, as Bürgermeister sinen!“
    Verachtung auf der ganzen Linie. Aber nun war Billies Bil-
    dungsdrang gereizt; die beiden Köpfe beugten sich über
    das Zeitungsblatt. Ich saß faul daneben und sah zu. Und
    da, so vor den beiden … Kikeriki — machte es in mir ganz
    leise, Kikeriki … Sie tuschelten und kuderten vor Lachen.
    Ich zog an der neuen Pfeife, die nun schon ein wenig an-
    geraucht war, und saß mit einer Miene da, die gutmütige
    Männerüberlegenheit andeuten sollte. Eben hatte Billie
    etwas gesagt, was man bei einigermaßen ausschweifen-
    der Phantasie auch sehr zweideutig nehmen konnte, die
    Prinzessin sandte mir blitzschnell einen Blick herüber: Es
    war wie Einverständnis zwischen Verschworenen. Nacht-
    verschworene … Am Tage wurde fast nie von der Nacht
    gesprochen — aber die Nacht war im Tag, und der Tag war
    in der Nacht. „Liebst du mich noch?“ steht in den alten
    Geschichten. Erst dann — erst dann!
    Sie warfen das Rätsel hin. „Wir wollen es nach dem
    Abendbrot noch einmal versuchen“, sagte Billie. „Schlaft
    ihr hier eigentlich gut ein? Ich muß mich sonst immer in
    Schlaf lesen — aber hier geht es so schnell …“ — „Du
    mußt es machen wie die Baronin Firks“, sagte die Prin-
    zessin. „Die Baronin Firks war natürlich aus Kurland, und
    die Kurländer, das sind die Apotheker Europas — : sie ha-
    ben alle einen leichten Klaps. Und wenn die alte Dame
    nachts nicht einschlafen konnte, dann setzte sie sich auf
    ein Schaukelpferd und schaukelte so lange, bis … Ja? Was
    ist?“ Es hatte geklopft. Ein Kopf in der Tür. „Das Telefon?
    Zürich!“ Wir liefen alle drei.
    Kleiner Kampf am Apparat. „Laß mich … kannste da
    nich mal weggehn … Harre Gott … Laß mich doch mal!“
    Ich.
    „Hallo!“ Nichts. Wie immer bei Ferngesprächen: erst
    nichts. Man hörte es in der Membrane leise surren. Diese
    Geräusche sind je nach den Ländern, in die man telefo-
    niert, verschieden; aus Frankreich zum Beispiel läuft ein
    silberhelles Gewässer durch die Drähte, und man be-
    kommt solche Sehnsucht nach Paris … Hier surrte es. Sie
    hatten wohl wegen der politischen Konferenzen neue Kup-
    ferdrähte nach der Schweiz … „Mariefred? Bitte melden
    Sie sich!“ — Und dann deutlich, aber leise eine klagende
    Stimme. Frau Collin.
    „Hier ist Frau Collin. Sie haben mir geschrieben? Wie
    geht es denn Ada?“ — „Ich will Sie nicht beunruhigen —
    aber sie muß da heraus.“ — „Ja, warum denn? Um Got-
    tes — “ — „Nein, mit der Gesundheit ist das Kind in Ord-
    nung. Aber ich schreibe Ihnen heute abend noch einmal
    ausführlich — diese Frau Adriani ist eine unmögliche Er-
    zieherin. Das Kind macht einen so verängstigten Eindruck,
    es …“ Und ich packte aus. Ich schmetterte es alles aus
    mir heraus, die ganze Wut und das ganze Mitleid und die
    Ranküne wegen der Niederlage heute nachmittag und mei-
    nen Abscheu vor solchen Herrschweibern … alles packte
    ich aus. Und die Prinzessin wackelte wild hetzend mit der
    Faust. Frau Collin blieb einen Augenblick still. „Hallo?“ —
    „Ja, was machen wir denn da …“ Die Prinzessin stieß mich
    und zischelte etwas. Ich wehrte mit dem Kopf ab: Laß!
    „Ich schlage Ihnen vor, daß Sie uns einen Brief schrei-
    ben, mit dem wir das Kind abholen können. Schicken Sie
    uns bitte einen Scheck über das, was Sie dort mutmaßlich
    schuldig sind … wenns mehr ist, will ich das gern ausle-
    gen. Und schreiben Sie es nicht der Frau: sonst wird sie
    das Kind nicht gleich entlassen, sondern sie wird es noch
    quälen — schreiben Sie also uns. Ihre Schrift kennt die
    Frau Adriani ja. Also, einverstanden?“
    Pause der Unentschlossenheit. Ich gab eine berliner Re-
    ferenz. „Ja, wenn Sie meinen … Ach … aber wo soll ich
    denn dann mit dem Kind hin?“ — „Ich habe in der Schweiz
    zu tun — ich bringe Ada zu Ihnen, und wir werden schon
    anderswo etwas für sie finden; aber da muß sie heraus.
    Wirklich — das geht nicht. Einverstanden?“
    Die Stimme klagte, klang aber ein wenig fester. „Es
    ist so nett, wie Sie mir helfen. Sie kennen mich doch gar
    nicht!“ — „Ich habe das da gesehen, wissen Sie … das geht
    nicht. Also gemacht?“ — „Jawohl. Wir wollen das so ma-
    chen.“ Und noch einiges verbindliche Hin und Her. Knack.
    Abgehängt. Aus. Die beiden tanzten einen wilden Tanz,
    einmal ums

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