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Schlossblick: Kollers fünfter Fall (German Edition)

Schlossblick: Kollers fünfter Fall (German Edition)

Titel: Schlossblick: Kollers fünfter Fall (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcus Imbsweiler
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um Lektürewünsche. Unsere Leserinnen, das belegen
nun mal etliche Marktuntersuchungen, erwarten von uns weiche Themen mit Anspruch.
Die können durchaus auch politisch getönt sein oder kulturell, da liegen Sie mit
Ihrem Text ja völlig im Trend, aber eben persönlich abgefedert und mit einem gewissen
Nährwert für die Reifezeit des Lebens. Mit unserem Verlag verbindet man Qualität,
Herr Koller, nicht die mitunter arg abseitigen Fantasien Ihrer Romanfiguren.«
    »Dann bin ich beim falschen Verlag«, belferte ich. Dieser verdammte
Marc Covet! Wollte in seiner Eitelkeit natürlich unbedingt an einem seriösen Haus
herauskommen. Das hatten wir nun davon!
    »Aber nein, aber nein!« Da hatte sie wieder ihren Flötentonmodus eingeschaltet,
die Dame in ihrem Frankfurter Westendbüro oder wo sie auch immer saß. »Ansonsten
sind wir ja sehr zufrieden mit Ihrer Arbeit, die Geschichten sind exzellent gestrickt,
da ist Spannung und Tiefgang, sogar Humor, in der Tat, nur diese wenigen Unebenheiten
sollten wir noch beseitigen.«
    »Für den Tiefgang kann ich nichts, den hat Herr
Covet hineingeschmuggelt.« Das Telefon am Ohr, machte ich mich auf den Weg in die
Küche. »Und noch weniger kann ich für die bizarren Hobbys meiner Landsleute. Ist
es vielleicht meine Schuld, dass der feine Herr Generalmusikdirektor auf nackte
Kinder stand? Ich hätte es auch gern mit anderen Typen zu tun gehabt. Und sein nymphomanisches
Betthäschen – glauben Sie, ich habe deren Privatleben erfunden?« Ich klemmte mir
das Telefon zwischen Schulter und Ohr, um die Thermoskanne aufzuschrauben.
    »Etwa nicht?«, kam es vom anderen Ende. Vor lauter
Verblüffung verpasste ich die Antwort. »Zumindest geschönt werden Sie es haben«,
sprach die Lektorin weiter. »Ich meine, so dick trägt das Leben doch nicht auf,
oder? Dito bei Ihrem Dirigenten. Ich bin die Zeitungen von damals durchgegangen.
Gewisse moralische Freizügigkeiten wurden dem Herrn zwar attestiert, aber längst
nicht die – pardon – Schweinereien, die in Ihrem Text stehen.«
    »Wie bitte?«, rief ich und verschüttete aus Ärger
einen halben Becher Kaffee. Beim Versuch zu retten, was nicht zu retten war, flutschte
mir das Telefon unterm Ohr weg und krachte auf den Fußboden. Fluchend sah ich ihm
hinterher. Die Stimme der Lektorin quäkte durch unsere Küche. Ich ließ sie quäken,
wischte erst den Kaffeefleck von der Arbeitsplatte und entdeckte dabei einen Zettel
mit Christines Handschrift: ›Wohin gehen wir morgen Abend? Du weißt schon …!!!‹
Auch der Zettel war kaffeegetränkt, doch daran lag es nicht, dass ich ihn nicht
verstand. Frauen und ihre Andeutungen! Wütend nahm ich Telefon und Gespräch wieder
auf.
    »Alles in Ordnung?«, erkundigte sich die Dame vom Verlag. »Haben Sie
sich verletzt?«
    »Mein Computer hat sich gerade aus dem Fenster gestürzt«, blaffte ich
sie an, »weil Sie was von Schweinereien sagten, die er angeblich beherbergt. Der
ist sensibel, verstehen Sie?«
    »Immer mit der Ruhe, Herr Koller. Den Umgang mit konstruktiver Kritik
müssen Jungautoren wie Sie erst noch lernen, das verstehe ich. Aber letztlich geht
es darum, Ihr Buch zu verkaufen. Das wollen Sie doch genauso sehr wie ich, richtig?«
    »Herrje, was soll ich machen, wenn einer ein perverses Schwein ist
oder ein brutaler Mörder? Soll ich den völlig umkrempeln? Komplett neu erfinden?
Zu so was bin ich überhaupt nicht in der Lage!«
    »Von neu erfinden kann keine Rede sein. Abschwächen, ja, andere Akzente
setzen, darum geht es. Nehmen wir als Beispiel Ihren Mitautor, den ich als äußerst
gepflegte, distinguierte Person kennenlernen durfte. Mit dem Covet in Ihrem aktuellen
Manuskript hat der gute Mann rein gar nichts zu tun. Was Sie dem für Klischees angedichtet
haben! Aus Gründen der Dramaturgie, sicher, nur eben deutlich übertrieben. Das muss
alles wieder raus, Herr Koller. Wissen Sie, beim Stichwort Theater denkt ohnehin
jeder sofort an moralische Abgründe, das ist so ausgelutscht, das Thema …«
    »Hallo?«, unterbrach ich sie. Mir reichte es jetzt. »Sie werden immer
leiser! Ich verstehe Sie kaum noch. Mein Telefon scheint eben doch etwas abbekommen
zu haben. Ich melde mich, wenn es wieder funktioniert.« Ich drückte den Aus-Knopf
und brüllte einige nicht jugendfreie Flüche in den Morgen hinaus.
    Diese verklemmte Buchstabentussi! Von wegen ausgelutscht!
Hatte Marc nicht erzählt, dass die Dame früher als Dramaturgin gearbeitet hatte?
Na, also. Die kam aus dieser Ecke, deshalb

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