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Schlossblick: Kollers fünfter Fall (German Edition)

Schlossblick: Kollers fünfter Fall (German Edition)

Titel: Schlossblick: Kollers fünfter Fall (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcus Imbsweiler
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Gefühl, meine Unruhe. Mein sechster Sinn!
    Er ließ mich vorwärts schleichen, um einen rund geschnittenen Busch
herum, an einem bemoosten Wasserbecken mit Marmornackedei entlang, bis ich eine
putzige kleine Laube erreicht hatte. Die Version Biedermeierscherenschnitt: Holzding,
offene Wände, Blumenranken. Man kennt das. Man kennt auch die Bänke im Inneren,
die schon als Sitzgelegenheit kaum taugen. Aber als Liegegelegenheit – nie und nimmer!
    Vermutlich blieb ich deshalb wie angewurzelt stehen, als ich auf den
Holzbänken der Laube jemanden liegen sah. Lang ausgestreckt.
    Genauer gesagt zwei Leutchen. Und das war das Problem.
    Die beiden hatten mich natürlich ebenfalls wahrgenommen. Und im Gegensatz
zu mir kam sofort Leben in die zwei: Daniel hechtete von seiner Inez herunter, die
ebenfalls in die Höhe schoss und einen Schrei hören ließ. Für mich das Zeichen,
aus meiner Erstarrung zu erwachen und saudummes Zeug von mir zu geben.
    Ich rief: »Ich bin’s nur, alles in Ordnung! Ich hab nix gemacht! Und
gesehen hab ich auch nichts. Ich schwör!«
    Daniel und Inez verzichteten auf derartige Äußerungen, was eine weise
Entscheidung war. Sie glotzten bloß. Verdammt, wo blieb mein Sinn Numero 6? Vielleicht
hatte die Lektorin doch recht, bei mir ging es immer nur um das Eine, ich war sexfixiert.
Dabei stimmte das gar nicht, ich war eher das Gegenteil, sofern man Christine Glauben
schenken darf, und wenn mich jemand kennt, dann sie. Außerdem ist sexfixiert ein
wunderbares Wort mit mehr x, als man auf manchem Wahlzettel hinterlässt, und schon
deshalb hat es die Aufnahme in einen Roman verdient.
    Was aber alles die Situation nicht rettete. Wenigstens waren der Junge
und das Mädchen noch angekleidet, nun ja, wir hatten Ende März, und nachts gab es
Bodenfrost. Lediglich Daniels Hose stand offen – allerdings nicht lange. Mit bewundernswerter
Kaltblütigkeit knöpfte er sie wieder zu.
    »Geht’s Ihnen noch gut?«, herrschte mich eine blasse Inez an. »Wie
kommen Sie hier rein?«
    »Mauer«, sagte ich und deutete nach hinten. »Hohe Mauer. War wohl keine
… also sorry noch mal.«
    »Wir werden Sie anzeigen«, sagte der Blonde augenrollend. »Ich garantiere
Ihnen, Sie kriegen so eine fette Anzeige an den Hals. So fett!«
    »Entschuldigung!«, rief ich. »Habe ich vielleicht geklingelt, ihr Helden?
Dreimal! Warum macht ihr nicht auf? Ihr wusstet doch, dass ich komme!«
    »Ja, aber wann?«, gab Inez zurück. Ihre Stimme klang angegriffen. »Hier
draußen hört man kein Klingeln.«
    »Nicht, wenn man abgelenkt ist«, knurrte ich. Sorry, ihr beiden Hübschen,
aber diese Bemerkung konnte ich euch nicht ersparen!
    »Ich warne Sie«, zischte Daniel und kam mit ausgestrecktem Finger auf
mich zu. Merkte er nicht, wie lächerlich er wirkte? Sein Finger provozierte sie
ja geradezu, die obszönen Witze!
    »Pass auf«, sagte ich stattdessen. »Auch wenn ihr das jetzt nicht glaubt:
Als keiner öffnete, habe ich mir Sorgen um euch gemacht. Okay, es war blöd, über
die Mauer zu klettern. Dafür entschuldige ich mich, hört ihr? Es tut mir leid! So,
jetzt kannst du mir meinetwegen eine Anzeige anhängen, Daniel, wenn es dich befried-
… wenn es dir Spaß macht.«
    Inez strich sich eine Strähne aus der Stirn. »Wie sind Sie hier hereingekommen?«
    »Geklettert.« Hörte sie schlecht? Wie sie da saß, auf der äußersten
Kante der Holzbank, beide Knie zusammengepresst, schien sie die Situation tatsächlich
noch nicht ganz erfasst zu haben.
    »Der Anwalt meines Vaters«, knirschte Daniel, immer noch auf dem Rächer-und-Beschützer-Trip,
»wird Sie klein falten, dass keine Briefmarke mehr drauf passt.«
    »Ja«, nickte ich. »Ist ja gut. Tu, was du nicht lassen kannst. Ist
’ne dumme Angewohnheit von mir, dass ich mir um andere Leute Sorgen mache. Wird
nicht wieder vorkommen. So. Können wir jetzt wieder normal miteinander reden? Wir
haben nämlich etwas zu besprechen.«
    »Bitte gehen Sie jetzt«, sagte Inez und wischte sich einen Krümel,
den nur sie sah, vom Pulli.
    Ich schwieg. Vielleicht hatte sie recht, und es war das Beste, von
hier zu verschwinden. Jähes Ende eines wenig glorreichen Auftritts.
    »Bitte«, wiederholte sie leise.
    »Du hast mich angelogen, Inez. Warum?« Es war ein letzter Versuch,
aber er fruchtete. Sofort straffte sich ihr Rücken, ihr Blick wurde eng.
    »Habe ich das?«
    »Du hast mit Thorsten Schallmo telefoniert. Am Tag seines Todes, nachmittags
um 15.45 Uhr.«
    »So?«
    »Ja.«
    »Um 15.45 Uhr? Keine

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