Schlossblick: Kollers fünfter Fall (German Edition)
anderes
gehört?«
»Könnten die Türken Zugang zu Waffen haben?«
»Waffen?« Er grinste breit. »Die werden mit einem Messer in jeder Hand
geboren, diese Anatolen.«
»Schusswaffen.«
»Also, wenn die wollen, kommen die schon an so was ran. Kein Problem,
Max.« Wieder hielt er inne, zog eine Grimasse und fügte an: »Hab ich jedenfalls
gehört. Weißt du, mit dieser Ballerscheiße will ich nix zu tun haben.«
»Besser so«, murmelte ich ohne Überzeugung. Freds müdes Gesicht erschien
in der Durchreiche. »Schon gut, wir sind fertig. Letzte Frage noch, Brutsch: Bist
du Deutscher? Oder woher kommst du?«
»Klar bin ich Deutscher. Kasachstan, da haben wir gewohnt. Aber immer
deutsch gewesen, hundert Pro, Max. Genau wie du.«
15
Noch in derselben Nacht erleichterte ich mein Gewissen um einen Gegenstand
von der Größe einer Zigarettenschachtel. Schallmos Handy, was sonst. Ich passierte
eben das Polizeirevier Mitte hinter dem Römerkreis, als mir einfiel, wie ich mir
ewige Dankbarkeit unserer Gesetzeshüter sichern konnte. Anonym natürlich; Bescheidenheit,
dein Name ist Koller. Also fuhr ich nach Hause, zog mir Handschuhe über, wischte
das Handy mit allen möglichen nichtfusselnden Tüchern ab, föhnte es am Ende sogar
und steckte es in einen Gefrierbeutel. Dann radelte ich zur Polizei zurück. Mittlerweile
war es elf, kaum noch ein Mensch auf der Straße. Ich stellte mein Rad in einer Seitenstraße
ab, wartete, bis die Luft rein war, und zog mir eine Skimütze über den Kopf. Dass
ich lauter dunkle, unauffällige Sachen trug, brauche ich nicht zu erwähnen. Ein
paar rasche Schritte zum Briefkasten am Haupteingang des Reviers, das Handy aus
dem Beutel herausgeholt und ab damit durch die Luke. Eine Kamera konnte ich nicht
entdecken, trotzdem winkte ich freundlich zur Tür hinüber.
»Max, du Kindskopf«, schimpfte ich mich zärtlich, als ich wieder bei
meinem Rad angelangt war. Anschließend schlief ich den Schlaf der Gerechten.
Geweckt wurde ich vom Läuten des Telefons. Entweder waren die Gerechten
diesmal sehr gerecht gewesen oder Max Koller einfach nur müde; jedenfalls zeigte
die Uhr bereits nach neun, als man mich so unsanft aus den Kissen holte. Ich krabbelte
zu der Lärmquelle hinüber und ließ mich auf einen Stuhl fallen.
Es war meine Lektorin, Covet hatte mich ja vorgewarnt. Unsere Lektorin,
genauer gesagt, oder gleich seine, schließlich war er es, der aus meinen Erlebnissen
eine Romanhandlung strickte. Aber diesmal ging es der Frau nicht um Formulierungen
oder Abschnittsgliederungen. Es ging ihr ums Ganze.
»Eine wunderbare Geschichte, Herr Koller«, flötete sie, und ich ahnte
voraus, dass gleich ein fettes ABER kommen würde. Gesperrt, in Großbuchstaben und
unterstrichen. »Tempo, Brisanz und so herrlich authentisch. Wirklich toll.«
»Aber?«, half ich ihr und linste zur Küche hinüber, wo eine Thermoskanne
Kaffee stehen musste.
»Ein kleines Aber gibt es in der Tat. Ich weiß nicht recht, ob die
Handlung, oder sagen wir: gewisse Teile der Handlung für unsere Leserschaft geeignet
sind.«
»Welche?«
»Na, unsere Krimi-Leserschaft.«
»Nein, welche Teile sind nicht geeignet?«
»Ach so. Nun, es sind sehr gelungene Abschnitte dabei, verstehen Sie
mich nicht falsch. Umso deutlicher heben sich diejenigen Episoden ab, die in einem
gewissen direkten, unverblümten Stil gehalten sind.«
»Unverblümt? Na, bestens! So bin ich nun mal: bar jeden Blumenschmucks.«
»Um es auf den Punkt zu bringen: Es ist zu viel Sex in Ihrer Story,
Herr Koller.«
»Zu viel was?« Vor Überraschung hörte ich auf, mich im Ohr zu kratzen.
»Sex.«
»Nein!«
»Doch, Herr Koller. Leider. In anderem Zusammenhang mag das angebracht
sein, aber Sie dürfen nicht vergessen, dass unsere Leserschaft hauptsächlich aus
gebildeten Damen jenseits der Menopause besteht. Für diese Klientel ist das Thema
körperliche Liebe kein Kaufentscheid. Im Gegenteil, es hält sie vom Erwerb des Buches
ab, und das wollen wir ja beide nicht, oder?«
»Sie meinen, denen geht der Sex am Arsch vorbei? Sorry für meine Ausdrucksweise,
aber ich als unverblümter Nichtakademiker … Außerdem, was soll das heißen: gebildete
Damen jenseits der Dingens? Sollen die sich nicht mehr vergnügen dürfen, nur weil
sie ein paar Falten im Gesicht haben und eine Schiller-Ballade auswendig können?
Das ist Diskriminierung, gute Frau!«
»Nein, das ist die Sachlage, lieber Herr Koller. Es geht nicht um das
praktische Vergnügen, sondern
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