Schlüsselfertig: Roman (German Edition)
weg.«
Wir müssen beide lachen.
»Also: Freundschaft?«, fragt er.
»Ja«, antworte ich erleichtert. »Sollten wir uns dann nicht auch duzen? Ohne Bruderschaftskuss, natürlich«, füge ich hinzu.
»Und ohne Eierlikör. Ich heiße Olaf.«
»Ich bin Silke. Und ich würde trotzdem gerne wissen, was ich in der Nacht noch gesagt habe.«
Er lacht. »Du hast Weiße Rosen aus Athen gesungen. Auf Deutsch und auf Griechisch. Der Text stimmte, soweit ich das beurteilen kann. Mit der Melodie hattest du einige Probleme. Dafür war die Stepptanzeinlage recht gelungen. Das hat mich für einiges entschädigt.«
»Ich fasse es nicht!«, sage ich und werde nachträglich rot. »Das haben Sie sich ausgedacht.«
»Du, bitte. Wir sind doch gerade auf das du umgestiegen, meine Liebe. Oder spricht da dein Alter Ego Frau Mouskouri? Nächstes Mal sollten wir vielleicht Ouzo trinken.«
Ich will ihm einen freundschaftlichen Tritt gegen das Schienbein versetzen, doch die Badezimmertür geht auf und Herr Wesseltöft – pardon: Olaf, schaltet in den Verkäufermodus: »Bei der Innenaustattung des Bades können sie zwischen dreiundzwanzig verschiedenen Fliesenmustem und zwölf Armaturen wählen. Und wenn Sie sich für die Luxusvariante entscheiden, bekommen Sie statt Badewanne einen Whirlpool.« Die Frau, die das Bad betreten hat, guckt interessiert. Sie trägt ein braun-meliertes Stretchkleid, das ihrer Figur einen leicht bratwurstähnlichen Charakter verleiht. Im Naturdarm.
»So'n echten mit Blubber?«, fragt sie.
»Fünfundvierzig Hochleistungsdüsen. Das sprudelt wie Champagner!«, sagt Olaf.
»Wenn Sie den dann mit mir ausprobieren würden«, schnurrt die Frau ihm entgegen.
»Einen Personalservice bieten wir leider nicht an.« Olaf bugsiert mich aus dem Bad, möglichst weit weg von der rolligen Kundin. Folgerichtig landen wir im Schlafzimmer. »Ich bin umgeben von unersättlichen Frauen! Wenn man bedenkt, dass das für manche Männer das Paradies wäre«, seufzt er theatralisch.
»Wirf mich bitte nicht mit so einer in einen Topf«, beschwere ich mich.
»Ist auch nur eine Kundin. Ach, die sind alle gleich. Ausnahmen mache ich nur bei denen, die neun Hawaii-Toasts essen können und über Nacht bleiben. Apropos: Wo wohnst du eigentlich jetzt?« Er deutet auf meine Aldi -Tüten.
»Keine Ahnung.« Darüber hatte ich mir noch keine weiteren Gedanken gemacht. Ich könnte bestimmt bei Brigitte unterschlüpfen, aber ich will nicht ins Dorf zurück. Will niemandem dort begegnen. Das ist mir alles noch zu nah, wie soll ich da einen klaren Gedanken fassen? Auch wenn ich nicht weiß, wie alles werden soll, weiß ich inzwischen doch genau, wie es nicht werden soll: wie es war.
»Aber ich«, unterbricht Olaf meine Gedanken. »Ich werde dir einen Schlüssel für eines der Musterhäuser besorgen. Nicht für das Designerhaus, leider. Aber für eins der anderen.«
»Warum tust du das für mich?«
»Wir sind doch Freunde, schon vergessen? Außerdem beeindruckt mich deine Konsequenz. Du gehst einfach weg, lässt alles hinter dir. Kommst hier an mit zwei Tüten in der Hand. Du arrangierst dich nicht mit einem Leben, das dir nicht gefällt.« Er seufzt. »So wie ich.«
Redet der von mir? Eine konsequente Frau, die allein in eine ungewisse Zukunft aufbricht? Das klingt ja – ohgottogottohgott, habe ich wirklich alles hinter mir gelassen? Ich könnte doch bestimmt noch zurück, wenn ich wollte!
Könnte ich.
Will ich aber gar nicht.
Nie wieder beim Aufwachen den Kopf stoßen. Keine Serviettenfaltseminare mehr. Keine gemeinsamen Mahlzeiten mit Heiner. Kein Ehevertrag, kein Fertighaus, keine Aerobic-Centerpflichtmitgliedschaft. Mir wird schwindlig. Das ist vielleicht doch etwas viel für mich.
»Nimmst du mein Angebot an?«
»Nur, wenn du mir mal Gesellschaft leistest.« Mann, wie dreist bin ich eigentlich? Jetzt stelle ich meinem Retter auch noch Forderungen! Aber der sagt, entweder ohne nachzudenken oder, weil er bereits darauf gewartet hat: »Abgemacht. Ich gebe dir den Schlüssel, wenn ich Feierabend habe, um sechs. Wir treffen uns am besten unter der Kastanie hinter dem Designerhaus.«
»Eine Herausforderung meiner botanischen Kenntnisse! Ich hoffe, da stehen nicht allzu viele Bäume herum.«
»Du wirst mich schon finden. Und hier ist meine Mobilnummer.« Olaf nimmt eine Visitenkarte aus der Innentasche seines Sakkos, schreibt eine Telefonnummer darauf und gibt sie mir. Die Situation kommt mir bekannt vor. Aber als er mir damals – vor
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