Schlüsselfertig: Roman (German Edition)
ist, was er ist, es ist einfach –
– sooooo guuut!
Nach circa fünfhundertsiebenunddreißig Orgasmen – irgendwann habe ich aufgehört zu zählen – schläft Kilowatt endlich ein und ich falle in eine Art Trance. Ich hätte nie gedacht, dass Sex so viel Spaß machen könnte. Und ich hätte auch nicht gedacht, dass ich so sein könnte. So wild, so hemmungslos, so Ist-mir-doch-egal-wer-der-Typist-Hauptsache-er-kann-küssen-und-so-weiter.
Ich bin jetzt ein Groupie, denke ich. Ich werde auf Konzerte gehen, in der ersten Reihe tanzen und sie alle erobern. Alle! Ich werde groß international einsteigen. Ich werde David Bowie verführen! Ach nein, hübsch, aber zu alt und verheiratet. Enrique Iglesias? Nein, der ist zu glatt. Halt, viel besser: Robbie Williams. Genau: Robbie! Mit ihm werde ich süße, heiße Nächte verbringen, um die Welt jetten und ihn dann irgenwo stehen lassen, weil ich einen anderen, noch berühmteren, noch aufregenderen Popstar getroffen haben werde.
Noch besser als Robbie Williams? Wer könnte das sein? So einen gibt es doch gar nicht.
Nun, das wird sich zeigen, denke ich mir so in meiner postkoitalen Trance. Immerhin weiß ich jetzt: Ich kann auch anders. Ich bin nicht immer die, die betrogen wird oder die man nicht küssen will, aus was für Gründen auch immer, Herr Wesseltöft! Nein, ich bin die, der die Männer zu Füßen liegen. Ich bin begehrenswert! Und ich kann haben, was ich will. Sogar den Sänger der angesagtesten Band, deren Namen ich leider vergessen habe.
11. Kapitel:
Alles über meine Mutter
Montag, 16. Mai, in den sehr frühen Morgenstunden
Ich räkele mich noch ganz zufrieden, da wacht Kilowatt auf. Wow, denke ich, jetzt geht es weiter, dabei könnte ich noch ein paar Minuten Pause gebrauchen, ich bin ja schließlich etwas aus der Übung.
Aber Kilowatt will nur kuscheln. Auch gut. Leider bekommt er dabei einen sentimentalen Anfall. Kilowatt gibt ungefragt dem dringenden Bedürfnis nach, mir sein Herz auszuschütten. »Ach«, beginnt er, »ach, ist das alles scheiße«. Und dann legt er los: erzählt mir, wie müde er ist, wie ausgebrannt, und dass er von einem »ursprünglichen Leben auf dem Land« träumt, »ohne Zwänge und Verpflichtungen«, in einer »harmonischen Dorfgemeinschaft, in der es keinen Neid, keine Konkurrenz und keine Intrigen gibt«.
Ich erwache aus meinem rosaroten Groupie-Delirium, höre mir das Gerede gefühlte fünf Stunden lang an und konstatiere dann nach tatsächlich vergangenen fünfzehn Minuten knallhart: Der Mann redet totalen Blödsinn. Er hat ja keine Ahnung. Was weiß der denn vom Dorfleben? Von den Landfrauen und ihrem nahezu totalitären Regime, von Vereinszwängen, von den strengen gesellschaftlichen Regeln dort? Er wäre eh nur ein Zugezogener, der sich sein Ansehen und seine Rechte mühsam erarbeiten müsste. Ernst nehmen würde man den Spinner nicht. Und Monique und ihr Hofstaat würden sich bestimmt nicht mit »so einem« (Städter = suspekt, Künstler = mittellos, langhaarig = nicht präsentabel) abgeben. Mir tut er leid.
Ich versuche, noch ein bisschen mit ihm zu knutschen, aber er will kuscheln und sich »nur mal einen Moment einfach bei dir anlehnen, du«. Der Saft ist raus aus Kilowatt.
Ich stehe auf, ziehe mich an und verabschiede mich höflich.
»Ja, ja, lass mich nur hier liegen. Lass mich einfach zurück und rette dich selbst. Die Geier werden mich finden«, jammert er.
Ich kenne keine Skrupel und gehe. Dieser Kerl kennt sich noch nicht mal in der heimischen Vogelwelt aus – ich bin mir ziemlich sicher, dass es in Norddeutschland keine Geier gibt. Oder zumindest in Hamburg.
Draußen frage ich eine von den vielen jungen Frauen in Aerobic-Dress und hohen Stiefeln, die untätig am Straßenrand stehen, nach dem Weg. Es ist nicht besonders weit zu Sandras Wohnung.
Ich mache es mir, soweit das eben möglich ist, auf der Yogamatte in einer Ecke des Wohnzimmers bequem und versuche, noch ein bisschen zu schlafen. Aus dem Nebenzimmer dringt ein leiser Pomosoundtrack. Wahrscheinlich vergnügt sich Sandra mit dem Gitarristen. Sex macht zwar Spaß, denke ich, ist aber eigentlich auch ganz schön albern. Man macht komische Geräusche und sieht bestimmt auch seltsam dabei aus. Ich vermisse Herrn Wesseltöft. Warum habe ich unserer Freundschaft keine Chance gegeben? Die wäre bestimmt viel toller geworden als jeder One-Night-Stand mit einem Rockmusiker. War das überhaupt Rockmusik, was die da gespielt haben? Egal. Aber einfach
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