Schlüsselfertig: Roman (German Edition)
war es. Ich habe mich gar nicht um ihn, den umschwärmten Star, bemüht. Er ist mir quasi in den Schoß gefallen – bildlich gesprochen. Ich hätte ihn haben können. Dieses Wissen gibt meinem Selbstbewusstsein neue Energie. Wahrscheinlich könnte ich jeden haben – bis auf Herrn Wesseltöft, leider. Ich genieße diese Allmachtsphantasie und stelle mir rudelweise Männer vor, die mir zu Füßen liegen. Ich kann keinen Schritt gehen, weil der Boden um mich herum von muskulösen Leibern bedeckt ist. Im ersten Moment eine tolle Vorstellung. Im zweiten – nein, lieber nicht. Bisschen Bewegungsfreiheit muss schon sein. Und was wäre, wenn ich neben Robbie Williams erwache und er möchte mit mir eine Ziegenfarm im Hunsrück aufmachen? Kann ja alles passieren. Nein danke. Ich verzichte. Aber ich könnte, wenn ich wollte. Gut, dass ich das jetzt weiß.
Ich träume von den Futuro-Häusern aus der Femseh-Dokumentation. Sie kommen sanft vom Himmel herab geschwebt. Es sind unendlich viele. Meine Aufgabe ist, sie nach Farben zu sortieren: Die Weißen sollen vor mir landen, die Orangen hinter mir. Mit der Kraft meiner Gedanken kann ich die schwebenden Häuser steuern. Doch dann kommt Herr Wesseltöft und fragt, wohin die blauen Futuros sollen. Das bringt mich so durcheinander, dass ich aufwache.
In der Wohnung ist es ganz still. Ich dusche schnell, ziehe meine unauffällige Mädchen-vom-Land-Kleidung an, packe meine Tüten zusammen, lege Sandra den Schlüssel und einen Vielen-Dank-für-alles-bis-bald-Zettel hin und gehe leise. Ich setze mich in die U-Bahn, steige in den Bus um, in noch einen Bus, warte auf den Anschlussbus und brauche wieder eineinhalb Stunden.
Vor der Musterhaussiedlung steige ich aus. Ich will mit Herrn Wesseltöft reden. Mir tut es Leid, dass ich ihn einfach so habe sitzen lassen. Das war blöd. Er vertraut mir etwas sehr Persönliches an und ich gehe einfach. Und in der Nacht davor habe ich ihn bedrängt. Sexuell belästigt! O nein, wie peinlich! Wie muss er sich gefühlt haben? Ein Wunder, dass er mir überhaupt die Freundschaft angeboten hat!
Meine Schritte werden langsamer. Traue ich mich überhaupt zu ihm? Aber ich stehe schon vor dem Haus, in dem er sein Büro hat, und einer seiner Kollegen bittet mich herein und platziert mich auf einem blauen Alcantara-Sofa, nur mal so zur Probe, um den Raum auf mich wirken zu lassen, es würde sich gleich jemand um mich kümmern. Dann erklärt er einer etwas verhärmt aussehenden Frau mit Pferdeschwanz und dem dazugehörigen Mann mit Stirnglatze eine »Pultdachsituation«.
Und dann steht er vor mir: Herr Wesseltöft. Schön wie in Mission Impossible. Genau das denke ich: Mission impossible. Aber ich reiße mich zusammen.
»Was kann ich für Sie tun?«, fragt Herr Wesseltöft. Ich erschrecke ein wenig über den unpersönlichen, geschäftlichen Ton, aber dann fällt mir ein, dass er ja im Dienst ist und seine Kollegen in Hörweite.
»Ich interessiere mich für, ähhh ...« Mir fällt nicht ein, was ich sagen könnte.
»Ein Haus?«, hilft Herr Wesseltöft mir auf die Sprünge.
»Ja, genau. Ich brauche dringend Beratung.«
»Da sind Sie bei mir richtig. Wir fangen am besten oben an«, sagt er und führt mich die Treppe hinauf. Als wir im Bad sind, schließt er die Tür hinter uns.
»Ich möchte mich entschuldigen«, sage ich.
»Wofür?«
»Dafür, dass ich gestern einfach weggegangen bin. Und dafür, dass ich sie sexuell belästigt habe.«
»Sie haben mich nicht belästigt. Sie haben mich geküsst. Ich muss ehrlich sagen: Ich habe in meinem Leben noch nicht viel Schlimmes erlebt, aber ...« Er macht eine Pause, in die ich sofort hineinpoltere: »Aber das hat dem ganzen das Sahnehäubchen aufgesetzt, nicht wahr? Das war das Widerwärtigste, das ihnen je widerfahren ist, nicht wahr? Es tut mit wirklich so Leid!«
»Um genau zu sein«, sagt Herr Wesseltöft, »war es ...« Er macht noch eine Pause und fummelt schon wieder am Einhandhebelmischer herum, wie gestern Vormittag. »... gar nicht so schlimm. Es war nicht wirklich unangenehm. Und was Sie danach gesagt haben ...«
»Was habe ich gesagt?«
»Ach ja, Sie können sich ja an nichts erinnern. Dann behalte ich das lieber für mich.«
»Sie sind ein Biest!«
»Ich habe mir schon immer gewünscht, dass mich mal jemand so nennt!«, sagt Herr Wesseltöft mit einer ironisch hochgezogenen Augenbraue. »Und immerhin habe ich Ihnen schon mal ein Geheimnis verraten. Ich weiß ja, was dann passiert: Sie rennen
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