Schlüsselfertig: Roman (German Edition)
Hinterausgang?«
Dann laufen wir, Unterwäsche vor die Gesichter gepresst, vorbei an Kachel- und Klinkermustem, um unser Leben. Und das gerade jetzt, wo ich endlich eine Ahnung habe, wie mein Zukunft aussehen könnte.
Der Hinterausgang ist verschlossen. Scheiße!
»Ich will nicht sterben!«, rufe ich.
»Wir kommen hier schon raus«, ruft Olaf zurück. »Hier entlang!«
Ich renne hinter ihm her zu einer unauffälligen Tür. Olaf greift hinter ein Badezimmerfliesenmodell, zieht einen Schlüssel hervor. »Das Büro des Chefs. Mit Extra-Ausgang.« Er öffnet die dicke, schallgedämmte Tür. Wir werden von einem schrillen Geräusch empfangen. Die Feuersirene, denke ich, endlich, gleich kommt die Feuerwehr, dann wird alles gut ...
... aber das Geräusch ist ein Schrei. Er kommt aus dem Mund der TV-Moderatorin, wahrscheinlich, weil sie höchst unbequem auf der schwarzen Lederklappcouch und unter dem Massivhausparkboss eingeklemmt liegt. Als passende Reaktion darauf kreischen Olaf und ich zurück. Einerseits, weil das kein schöner Anblick ist, und andererseits, weil mir sowieso die ganze Zeit schon nach Schreien zumute ist und nur noch der passende Auslöser gefehlt hat. Olaf brüllt wahrscheinlich, weil wohl niemand seinen Ex-Liebhaber in so einer Situation überraschen möchte.
Der Massivbauparkboss scheint bemerkt zu haben, dass die ganzen Schreie, die an sein Ohr dringen, weder verzückt sind, noch ausschließlich von seiner Gespielin stammen. »Was zum Teufel ...!« Mit einem entrüsteten Grunzen wälzt er sich von ihr hinunter und rappelt sich – ordentlich mit Hemd, Krawatte und Socken, allerdings ohne Schuhe oder eine Hose – vor uns auf. Auch das ist kein schöner Anblick.
»Feuer!«, brüllen wir. Hier im Büro ist von dem Flammenmeer wirklich noch nichts zu merken. Die wahrscheinlich schalldichten Fenster sind mit Jalousien verdunkelt.
»Wo denn?«, fragt die TV-Moderatorin und schaut sich um, als würde sie eine Kamera suchen. Dabei gelingt es ihr, in Sekundenschnelle ihre Bekleidung so zurecht zu schieben und zu zupfen, dass sie wieder einen präsentablen Eindruck macht. Nur die Frisur lässt noch etwas zu wünschen übrig.
»Überall«, antwortet Olaf und stürmt zum Ausgang. Diese Tür ist ausnahmsweise mal nicht verschlossen, Olaf reißt sie auf –
– und wir können einen schönen Blick auf das Spektakel draußen werfen. Auch diese Seite des Massivhausparks steht in Flammen, sie lodern dicht an dicht. Für die Moderatorin scheint das alles nun doch wieder ein bisschen zu viel Realität zu sein, und auch der Massivhausparkboss verwandelt sich in Sekundenbruchteilen in ein zitterndes Häuflein Elend. Die Situation scheint so ausweglos wie mir das Völkerballspielen in meiner Jugend. Allerdings sind die Flammen noch nicht ganz bis zur Halle vorgedrungen. Und plötzlich wittere ich eine Chance.
»Wo sind die Feuerlöscher?«, brülle ich.
»Draußen links in der kleinen Lagerhalle«, sagt Olaf und zieht einen großen Schlüsselbund aus der Hose seines Exlovers, die ordentlich zusammengefaltet über dem Schreibtischstuhl liegt.
»Anziehen!«, herrsche ich den Boss und die Moderatorin an und werfe ihnen ein paar von meinen nassen Klamotten zu. »Und mitkommen!« So zackig kenne ich mich ja gar nicht! Aber ich habe jetzt schließlich auch die Verantwortung für mein Kind, da kann ich ruhig schon mal ein bisschen schroff werden.
Wir rennen los und kommen überraschend gut zur Lagerhalle durch, die von Zierteichen und damit im Moment noch vom Feuer verschont geblieben ist. Drinnen finden wir zehn neue Design-Handfeuerlöscher.
Plötzlich durchdringt ein greller Hilfeschrei das Flammengetöse. Mein Blick fällt auf das Haus, das Heiner und Monique gewonnen haben. Es ist genau gegenüber, nur knapp fünfzig Meter entfernt, und steht schon in Brand. Aus einem der Dachfenster lehnen ...
... Heiner und Monique! Sie schreien und fuchteln mit den Armen. Ich kann mir genau vorstellen, was passiert ist: Die beiden waren wieder so vertieft ins Brüstekneten, dass Heiner von der Welt nichts mehr mitbekommen und Monique die vorbeifliegenden Funken für Zeichen ihrer Ekstase gehalten hat. Seltsamerweise bin ich nicht wütend oder eifersüchtig oder entsetzt. Stattdessen regt sich in mir ein ganz neues Gefühl: Verantwortung. Für mein Kind, damit auch für mich, für Olaf sowieso, für Heiner, der ja schließlich Vater meines Kindes ist (aber das ist wohl jetzt nicht der geeignete Moment, es ihm zu sagen)
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