Schlüsselfertig: Roman (German Edition)
vergessen. Und du musst gar nicht in die Küche gucken, da findest du auch nichts Passendes.«
Mutti grinst und holt aus dem Flur eine Kühltasche voller Tupperware. »Ich habe da etwas vorbereitet!« Sie macht ein Gesicht wie Fernsehkoch Max Inzinger in den späten 70ern, bevor er den Inhalt von zwanzig kleinen Schälchen so schnell in einen Topf kippte, dass man sich unmöglich merken konnte, was in den Schälchen war, und zählt auf: »Datteln im Speckmantel, Scampi auf Spinat – da gibt es eine neue Würzmischung für – und ein orientalischer Salat. Schließlich kommen sie gerade aus Tunesien. So, und jetzt los. Ich bereite alles vor, und du gehst dich noch rasch frisch machen.«
Mutti drängt mit ihrer Ausrüstung in Schwiegerelterns Küche, ich gehe nach oben in die Mansardenwohnung, die Heiner mit seinem Vater zusammen ausgebaut hat. Dort wohnen wir, Heiner und ich, unter lauter Dachschrägen. Eigentlich kann man nur im Flur und in der Mitte der beiden Zimmer stehen. Wenn ich morgens aufwache, darf ich nicht hochschrecken, sonst stoße ich mir den Kopf. Der Luftraum über den Kissen unseres Doppelbettes ist knapper bemessen als die Kleidchen von Verona Feldbusch-Pooth. Und Raufaser hinterlässt fiese Abdrücke im Gesicht.
Ich öffne den Kleiderschrank, der die einzige Wand belegt, an die man überhaupt etwas stellen kann, und gucke hinein. Gucke. Gucke. Gucke. Was ziehe ich bloß an, um über jeglichen Kommentar erhaben zu sein?
Unten poltert es schon. Heiner hat seine Eltern vom Flughafen abgeholt und schleppt gerade die souvenirbeladenen Koffer in den Flur, begleitet von den »Vorsicht! Vorsicht!«-Rufen seiner Mutter.
Ich verwerfe die Kleidungsfrage und renne nach unten, um sie zu begrüßen. Sie sehen noch etwas lederner aus als vor ihrer Abreise, sonnengegerbt. Sie erinnern mich an große, alte Handtaschen. An die dunkelbraunen Handtaschen meiner Oma.
»Hach, ich freue mich so, wieder zu Hause zu sein«, seufzt Heiners Mutter, »zwei Wochen Urlaub sind vielleicht doch etwas lang.«
Ja, denke ich, das ist wohl so – zumindest, wenn man sich nicht aus der Ferienanlage hinaus wagt, der Küche des Landes misstraut und unglücklich ist, wenn man kein eigenes Geschirr abwaschen und kein eigenes Unkraut zupfen darf. Für meine Schwiegereltern gilt nicht Home is, where the he art is, sondern: Home is, where the Eigenheim is. Oder: Wo die Geranien sind. Hoffentlich habe ich da noch ein bisschen Schonfrist.
Zunächst gehen wir in den Garten. Schwiegervater will mal richtig »an seine Grenzen gehen, höhöhö!«, also schlendern wir ein bisschen am Zaun entlang, begutachten wohlwollend den frisch gesprengten und gestutzten Rasen (»In Tunesien ist alles staubig. Da wächst ja nichts, nur in den Oasen so ein paar zerfledderte Palmen.«)
Ganz hinten bleibt Schwiegervater stehen, macht ein ernstes Gesicht und räuspert sich: »Wir haben uns da etwas überlegt.« Er breitet die Arme aus, fuchtelt gen Horizont, deutet über die sumpfige Wiese, die zwischen seiner Grundstücksgrenze und seinem Autohaus liegt, räuspert sich wieder. »Heiner, Silke, hört jetzt mal gut zu. Wir schenken euch dieses Grundstück. Da könnt ihr ein Haus bauen! Und dabei wollen wir euch natürlich unterstützen.«
Heiners Mutter guckt feierlich und ergänzt: »Diese Fertighäuser, die sind ja so günstig. Und qualitativ so was von hochwertig! Die Eders, die sind froh, dass sie ihr Okalhaus haben. Das ist nun schon über zwanzig Jahre alt und immer noch sehr gut.«
Ja, denke ich, für ein Haus ist zwanzig Jahre natürlich ein betagtes Alter. Man glaubt kaum, dass manche Gebäude sogar noch älter werden, gar ihre Besitzer überleben. Bewundernswert. Das Haus von Eders ist übrigens zartgelb, es sieht aus, als hätten zwanzig Jahre lang regelmäßig Hunde drauf-gepinkelt.
Ich gucke zur Wiese, sehe die Maulwurfshügel, den Löwenzahn, einen hohen Metallzaun, dahinter ein paar neue Opel Astra. Ich versuche mir, ein Haus darauf vorzustellen und sehe ein pissnelkengelbes, aber »immer noch sehr gutes« Fertighaus. Dann versuche ich mir, mich in diesem Haus vorzustellen. Doch das Bild wird nicht ganz scharf. Unter meinen Achseln ist es feucht. Ich fühle mich klebrig. Kein Wunder, es ist ziemlich schwül.
»Na, was ist? Freut ihr euch?«, fragt Heiners Mutter und fährt sich durch das blondierte, vom Chlor des Hotelpools etwas grünlich gewordene Haar.
Heiner grinst. Er sieht aus, als hätte er das alles erwartet. Als wäre das ganz
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