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Schlüsselfertig: Roman (German Edition)

Schlüsselfertig: Roman (German Edition)

Titel: Schlüsselfertig: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kirsten Rick
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Mücken fangen. Die Schießbude sieht noch genau aus wie vor zwanzig Jahren. Wahrscheinlich sogar wie vor fünfzig oder hundert Jahren, aber das kann ich natürlich nicht beurteilen. Es gibt noch genau die gleichen Plastikrosen und Federbüschel (ich dachte immer, das seien Staubwedel), von deren Stiel man kleine weiße Röhrchen abschießen muss. Und Tiersilhouetten auf einem Laufband. Auf dem Tresen einen alten Teppich zum Aufstützen.
    Direkt vor dem Zelt ist der Platz nicht gepflastert. Das ist etwas unpraktisch, denn der Regenguss hat den Boden durchweicht, vor dem Eingang hat sich ein großes Schlammloch gebildet, bereit, meine goldenen Schuhe zu verschlucken.
    »Verehrtes Fräulein, darf ich's wagen, Arm und Geleit Ihnen anzutragen«, höre ich eine Stimme hinter mir. Heiner? Er ist gekommen, um mich zu retten! Zwar spricht er etwas seltsam, auch seine Wortwahl scheint mir ungewöhnlich, aber das macht mir im Moment nichts aus. Ich drehe mich um und sehe –
    – Kalle. Heiners Kumpel. Jetzt erkenne ich schon nicht mal mehr die Stimme meines Verlobten. Beinahe-ExVerlobten. Aber Kalle ist nun wirklich der Letzte, von dem ich gereimte Galanterien erwartet hätte. Das hat er bestimmt mühsam auswendig gelernt. Und von ihm ist es sicher auch nicht. Trotzdem lasse ich mir von ihm gerne über den Schlammkrater helfen. Alles, was meine Schuhe und damit auch meine Nerven schont, soll mir recht sein. Außerdem ist es vielleicht ein wirkungsvoller Auftritt – quasi ohne aufzutreten über die Schwelle getragen zu werden.
    Leider habe ich nicht damit gerechnet, dass Kalle mich wie einen Kartoffelsack schultert. Das sieht sicher etwas unvorteilhaft aus, wie ich so mit hängenden Beinen und dem Hintern voran ins Festzelt getragen werde. Viel Publikum hat mein unglamouröser Auftritt zum Glück nicht, die langen Tische mit den Papiertischdecken und den hölzernen Klappstühlen sind noch leer, nur ein paar Feuerwehrmänner sind schon da. Niemand, den ich näher kenne. Wenigstens zeichnet sich mein Höschen nicht ab, denke ich, aber sobald ich wieder ein paar Schritte gehe – Kalle hat mich zu Boden fallen lassen und zerrt mich zur Bar – fühle ich mich wieder, als stünde ich kurz davor, Schmirgelpapier auszuscheiden.
    Kalle gibt mir ein Bier aus, und obwohl ich gar kein Bier mag, muss ich es trinken, alles andere wäre unhöflich. Ich will seine Gentleman-Anwandlungen nicht unterbinden. Trotzdem kommt mir dieser Aufmerksamkeitsanfall etwas seltsam vor. Sonst sieht Kalle mich eher nicht an, wenn es nicht sein muss, und spricht überwiegend Grunzlaute zu mir. Das kann daran liegen, dass ich ihn immer dann zu Gesicht bekomme, wenn er gerade mit Heiner gezecht hat. Vielleicht ist Kalle ja ganz anders? Ich mustere seine Kinnpartie. Markant, wirklich markant. Starke Hände hat er auch. Eigentlich ist er nicht mein Typ, aber unter Umständen könnte ich ihm ja etwas abgewinnen. Ich sollte ihn mal mit anderen Augen sehen, mich von dem festgefahrenen Bild lösen.
    »Ich muss mit dir reden, Silke«, sagt Kalle, nimmt einen kräftigen Schluck und wischt sich den Bierschaum vom Mund. Oh, vielleicht ist er mir schon einen Schritt voraus? Er hat sich schon Gedanken über mich gemacht, das neue Kleid, die Schuhe haben seine Augen geöffnet, seinen Blick geschärft, nun weiß er, was er will: mich! Die Freundin seines besten Freundes! Ein Dilemma, das sein Herz schier zerreißen will. Wir steuern geradewegs auf eine Tragödie zu ...
    »Ich möchte dich, etwas fragen, Silke.«
    »Ja, Kalle?«
    Unsere Blicke treffen sich. Er hat wässrige blaue Augen mit einem ganz speziellen Glanz. Unter anderen Umständen hätte ich sicher gedacht, dass kommt vom verstärkten Bierkonsum. Aber in diesem Moment bin ich geneigt zu glauben, dass dieser feine Schimmer durch meine Anwesenheit ausgelöst wurde. Mit den nächsten drei Schlucken, die eher einer sind, weil er zwischendurch nicht absetzt, leert Kalle sein Glas. Dann rückt er endlich mit der Sprache raus.
    »Verpachtest du mir deine Wiese?«
    O nein! Nicht auch noch Kalle! Hängt er etwa im Komplott mit drin? Soll ich eingekreist werden? Oder ist er in einer Einzelmission unterwegs? Mal sehen, was er sich so ausgedacht hat. »Warum sollte ich dir die Wiese verpachten?«
    »Du bekommst auch sechshundert Euro im Jahr. Das ist viel! Und dafür möchte ich einen langfristigen Pachtvertrag. Mit Kaufoption. Oder, am besten, ich kaufe dir das Land sofort ab.« Er steckt seine Hand ganz tief in die rechte

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