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Schlüsselfertig: Roman (German Edition)

Schlüsselfertig: Roman (German Edition)

Titel: Schlüsselfertig: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kirsten Rick
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natürlich auch eine Möglichkeit, die Zukunftsplanung zu vermeiden. Wer keine Zukunft hat, muss auch nicht planen. Aber dafür bin ich nicht der Typ. Kein bisschen suizidal veranlagt.
    Dabei wäre das Wetter dafür gerade passend: Draußen schüttet es wie aus Eimern, dazu blitzt und donnert es in Sekundenabständen. Als säße ich unter einem Wellblechdach, auf dem die Einstürzenden Neubauten proben. Brigitte hat mir mal eine Platte von denen vorgespielt, das klang genauso. Der Bandname hat mich aber trotzdem beeindruckt.
    Ich lackiere meine Nägel neu, diesmal einfarbig rot, passend zum Kleid, und probiere etwas Lidschatten aus. Smaragd heißt die Farbe, die ich nach Anleitung aus einer weiteren Zeitschrift bis zu den Augenbrauen hoch großzügig auf den Oberlidern verteile. Angeblich braucht man keine Vorkenntnisse und nur fünf Minuten für den Nouvelle-Vague- Look, mit dem vor allem Brünette verführerisch aussehen.
    Aus dem Spiegel guckt mich eine Kreuzung aus Panda und Laubfrosch an. Naja, mit etwas Wimperntusche dazu wird es schon gehen. Vielleicht soll das auch so? Geheimnisvolle Reize der Tierwelt. Scheint ja auch Moniques Erfolgsrezept zu sein. Männer sind eben animalisch veranlagt.
    Ich lausche an der Tür, ob die heimische Fauna vielleicht während meines Unterwasserintermezzos unbemerkt zurückgekehrt ist. Es ist kein Grunzen, Schnaufen oder Trampeln zu vernehmen. Ich öffne die Tür und gehe in die Küche. Die Leberwurstschnittchen haben nicht lange vorgehalten, ich brauche Nachschub. Vollkornbrot, dick mit Butter beschmiert und mit Schokoladenscheiben belegt. Als Klappstulle natürlich. Nervennahrung für den bevorstehenden Abend.
    Kauend überlege ich mir, wann ich am besten zum Feuerwehrball gehen sollte. Und mit wem. Heiner hat einen Zettel auf dem Küchentisch hinterlassen. Bin schon im Festzelt, mit den Feuerwehrkumpels vorglühen. Wie jedes Jahr – abgesehen von dem einen Mal, als er mich abgeholt hat. Der fällt also aus.
    Nicht, dass ich bezüglich der Begleitung eine üppige Auswahl hätte. Ideal wäre jemand wie George Clooney, elegant, aber nicht zu protzig. Allerdings müsste er schon Hoch- oder wenigstens Plattdeutsch sprechen, sonst würde ihn niemand verstehen und ich müsste den ganzen Abend lang dolmetschen, und wer weiß, was dabei herauskäme. Andererseits hätte ich dann alle Gespräche, die er führt, unter Kontrolle. Und wenn man von jemandem wie George Clooney begleitet wird, dann ist es ja wohl mehr als verständlich, dass man sich ein wenig besitzergreifend benimmt. Aber Herr Clooney steht bei mir leider ebenso wenig Schlange wie Bill Clinton, ein politisch brisanter Begleiter in diesem konservativen Ort, Clark Gable – lebt der überhaupt noch? –, mein Verlobter, meine beste Freundin oder der Dalai Lama. Der wäre sicher sehr gut für meine innere Ausgeglichenheit während der Veranstaltung.
    Ich könnte meine Mutter anrufen und mit meinen Eltern hingehen, aber ich bin ja keine Fünf mehr. Außerdem wäre meine Mutter irritiert, dass ich nicht mit Heiner zusammen hingehe, und dann schöpft sie noch Verdacht, dass etwas in meinem Leben nicht ganz in Ordnung sein könnte. Und dann muss ich mir ihre Ratschläge anhören. Ihr psychologisches Wissen bezieht sie aus dem Fernsehen, genauer gesagt aus Soaps und romantischen Komödien. Hin und wieder spielt noch ein alter Schlagertext mit rein, der dann möglichst originalgetreu vorgetragen wird. »Liebeskummer lohnt sich nicht, my Darling! Schade um die Tränen in der Nacht«, würde sie mir wahrscheinlich vorsingen, und um den Originalakzent zu betonen, würde sie »sich nicht« wie »sisch nisch« aussprechen. Und natürlich würde sie irgendwann sagen: »Ach, es hat halt nicht sollen sein. Dann kommt eben ein Besserer.« Aber sie wird mich ansehen, als wüsste sie genau, dass bestimmt kein Besserer kommt. Mitleidig. Und ein wenig vorwurfsvoll, als wäre klar, dass ich das alles verbockt habe. Sie wird ein paar gequirlte Klischees vortragen, und ich werde mich fühlen, als hätte ich mir daran den Magen verdorben. Mein Leben ist kein Klischee, und kann auch nicht mit solchen geheilt werden. Wenn mein Leben ein Klischee wäre, würde wenigstens etwas Gutes, Schönes, Spannendes darin passieren. Nicht nur diese ganzen Niederlagen.
    Nein, ich werde auf keinen Fall mit meiner Mutter zum Feuerwehrball gehen. Mit meinem Vater schon eher. Der hat nämlich durchschaut, wie das hier im Dorf läuft: Die Frauen haben das Sagen. Die

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