Schlüsselherz (German Edition)
es im KSS r e cherchiert. Wir sollten mit ihm sprechen. Da wir ursprünglich g e plant hatten, länger im Themse Theater zu verweilen, können wir es ebenso gut heute Abend tun.“
„ Verstehe“, sagte Valender, und obgleich er das schon oft behau p tet hatte, glaubte sie es ihm zum ersten Mal.
Cera gehörte nicht zu den Frauen, die sich vor Verblichenen fürcht e ten. Hin und wieder spukte ein ehemaliger Stammgast im Keyman Theatre, den sie sogar äußerst sympathisch fand. Sie versäumte nie, nach der Vorstellung ein paar Worte mit ihm zu wechseln, auch wenn sie sich – damit die grobstofflich anwesenden Damen keinen Schreck bekamen – dazu in einer Damentoilette einschließen mus s ten. Was ihm extrem peinlich war, aber Cera empfand die Vorste l lung, ihn in ihr Zimmer einzuladen, weit unerhörter. Als sie in die Nähe des Holland Parks kamen, wurde ihr aller Toleranz zum Trotz dennoch etwas unheimlich. Es wurde schlagartig stockd u ster und kälter, und der Wind pfiff scharf und von klagenden Lauten begleitet in die Ku t sche, sodass sie das Fenster lieber wieder hoch kurbelte. Die Straßenlaternen funktionierten hier nur noch unregelmäßig und das schwache Windlicht, das der Kutscher angezündet hatte, gelangte nicht in die Schatten zwischen den maroden Villen, deren viktorian i sche Pracht zu einer lang gezogenen, schier endlosen Albtraumkuli s se verfallen war. Nebel kroch in den überwucherten Gärten dicht über den Boden. Spinnweben hingen in den toten Obstbäumen, d e ren kahle Äste wie verkrampfte Finger gen Himmel zeigten. Sie leucht e ten in fahler Helle auf, wenn das Kutschlicht sie streifte. Wie bleiche Gestalten bewachten die Reste heller Säulen finstere Hau s eingänge, die ins Schwarze führten, da die Türen herausgebrochen waren. Die Fenster erinnerten an Mäuler, die gezackten Scherben, die von den Scheiben übrig waren, stellten die Zähne dar. Über fast jedem dieser Fenster erinnerten Rußschatten an die vernichtenden Brände, die das ehemalig wohlhabende Viertel berühmt gemacht hatten.
„ Heimelig“, kommentierte Valender ironisch. Ja, glaubte er denn, sie war freiwillig oder gar gern hier? Cera fiel nichts Besseres ein, als ihn mit einem säuerlichen Grinsen zu strafen.
„ Da wären wir“, rief der Kutscher und hielt den Wagen an. Das Haus lag ein Stück die Straße hinunter und war kaum zu übersehen. Es war das einzige, in dem Fenster und Türen intakt waren; hinter jedem Fenster brannte helles Licht. Es war eine Oase in einer Wüste aus Nacht.
Cera stieg aus und trat neben den Bock, um den Kutscher zu b e zahlen, doch der schrieb seine Rechnung und reichte sie über ihre Schulter hinweg Valender. Ebenso wurde sie übergangen, als das Geld den Weg zurücknahm, und ihren Einspruch ignorierten beide Männer.
„ Möchten Sie, dass ich hier auf Sie warte, Mr Beazeley?“, fragte der Kutscher. „Hier kommt so schnell kein Wagen durch.“
„ Danke, aber da es so aussieht, als wäre Mr Charles zu Hause, wird es etwas dauern.“ An Cera gewandt fügte Valender hinzu: „Ich habe mein radiomobiles Telefon bei mir und kann uns nachher eine Ku t sche für den Rückweg rufen.“
„ Schön für Sie!“, gab sie zurück. Ihre Stimme klang schnippisch in ihren eigenen Ohren, aber das war ihr nicht einmal peinlich. Sie has s te es, verspottet, übergangen und ignoriert zu werden; das sollte er ruhig merken. Zielstrebig ging sie auf Mr Charles‘ Anwesen zu und wurde nicht langsamer, um auf ihn zu warten, als er ihr folgte.
Die Villa lag hinter einer Buchsbaumhecke, die Dekaden zuvor vielleicht einmal in Form geschnitten gewesen sein mochte. Heute erinnerte sie an ein wucherndes Ungetüm. In ihrem Schatten blieb Cera stehen und beobachtete das Haus durch eine Lücke in den Zweigen.
„ Valender“, flüsterte sie, „sehen Sie sich das an!“
Um ebenfalls durch das Loch in der Hecke sehen zu können, beugte er sich etwas hinab, sein Gesicht dicht neben ihrem. Sie konnte die feinen Geräusche hören, die seine Zunge verursachte, als er sich über die Lippen leckte. Einen Moment brachte sie dies völlig aus dem Konzept, und sie konnte sich nur schwer auf das Haus ko n zentrieren, war es auch noch so beeindruckend.
„ Da hat jemand Stil“, meinte er leise. „Wenn auch einen ziemlich … speziellen.“
„ Typisches Künstlerhaus“, sagte Cera, aber das war nur geraten, denn viele Künstler kannte sie nicht, geschweige denn ihre Häuser. Dieses hier war in jedem Fall ein
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