Schlüsselherz (German Edition)
Zauberinnen sollst du nicht am Le…“ Sein Geschrei endete abrupt, als ihn ein Ei am Kopf traf.
„ Immer auf die Frauen!“, rief eine hochgewachsene Dame mit modernem, sprechendem Hut. „Wir sind doch nicht mehr im Mitte l alter!“
„ Kauft Kämme!“, brüllte ihr Hut ohne jeden Zusammenhang und mit erstaunlicher Stimmgewalt. „Kauft Kämme – die Zeiten sind lausig!“
Ein paar emanzipierte Frauen unterstützten das Aufbegehren, i n dem sie Gemüse in Richtung der Kanzel warfen. Die Menschenma s se trieb wie eine nervöse Schafsherde hin und her und Cera suchte verzweifelt für sich und die alte Dame einen Weg aus dem Tohuw a bohu hinaus. Der Pfarrer brüllte lautstark nach der Polizei, als den Frauen das Gemüse ausging und das erste gerupfte Hähnchen flog.
„ Cera!“ Jemand brüllte ihren Namen, packte sie an der Schulter und zerrte sie herum. Fast hätte es die alte Dame in die andere Ric h tung getrieben, doch Cera fasste sie an der Hand und zog sie mit sich. Wie erleichtert sie war, als sie Valender erkannte.
„ Himmel, Arsch und Zwirn – Cera. Bist du in Ordnung?“
Einen Moment lang stand sie mit ihm mitten im Chaos und konnte nichts weiter tun, als ihn anzusehen, dankbar dafür, dass er da war.
„ Schluss mit dem Schmachten!“, rief die alte Dame und unte r drückte nur leidlich ein aufgeregtes Kichern. „Die Polizei kommt. Weg hier, ehe die uns noch alle einbuchten.“
***
Valender war nichts Besseres eingefallen, als Cera und die alte Dame, die sich als Kate Lucius vorstellte – und ihren Yorkshireterrier als Churchill –, in das nächste Restaurant zu ziehen. Dort saßen sie nun an einem Tisch nah am Fenster und beobachteten, wie Bobbys und Polizisten den Aufruhr draußen auflösten.
„ Großartig“, ließ Mrs Lucius verlauten und strahlte Cera an. „Das haben Sie wunderbar gemacht. Es war schon lange mal an der Zeit, dass diesem verbohrten Fothergill jemand vor allen Leuten die Me i nung geigt.“
Cera lächelte, aber es war ein zerknirschtes Lächeln. Es schmerzte Valender, dass sie ihren Mut schon wieder bereute, aber er wusste für den Augenblick nichts zu sagen, um sie aufzumuntern. Eben noch hatte er so viel sagen wollen. Auf der Suche nach ihr hatte er sich so viele Worte zurechtgelegt, um sein Verhalten zuvor, wenn schon nicht zu erklären, dann doch wenigstens zu entschuldigen. Jetzt waren all die schönen Sätze weg. Was hatte Cera nur an sich, dass ihm ständig in ihrer Gegenwart die Zunge schwer wurde und die Gedanken lahm lagen wie eine Dampfmaschine, der das Feuer ausgegangen war?
Er nickte nur ratlos zu den Worten der rüstigen Rentnerin.
Mrs Lucius legte ihre warme Hand auf Valenders. „Bestellen Sie dem Kindchen mal was zu trinken, es ist ja völlig fertig.“
„ Das nimmt sie ohnehin nicht“, sagte Valender im gleichen M o ment, als Cera „Danke, nein“, antwortete. Sie sahen sich an, und für einen Moment schien es, als sei alles zwischen ihnen wieder geklärt. Sie grinsten sich an wie zwei Kinder, die ein Geheimnis teilten. Dann warf Cera zu seiner größten Verwunderung Mrs Lucius einen ebe n solchen Blick zu. Die alte Dame wandte Valender den silbergrauen Hinterkopf zu, sodass er ihr Gesicht nicht sehen konnte, aber irge n detwas schien sie Cera mit ihrer Mimik zu sagen. Cera erhob sich und suchte erst dann, als sie stand, nach einer Erklärung.
„ Ahm. Ich gehe dann wohl mal zu … zu …“
„ Zur Toilette?“, half die alte Frau und Cera strahlte auf.
„ Ja. Natürlich. Zur Toilette.“
Sie verschwand und ließ Valender mit dem Gefühl zurück, dass i r gendetwas Eigenartiges vor sich ging. Seit wann musste Cera zur Toilette?
„ Armes Kind“, seufzte Mrs Lucius. „Der Pfaffe muss sie sehr e r schreckt haben.“
„ Hm“, machte Valender betreten.
„ Sie scheint mir ohnehin einen harten Tag gehabt zu haben. Das sehe ich, obwohl ich sie eben erst kennengelernt habe.“
„ Hmhm.“
„ Wenn ein Schnaps nicht hilft, Mr Beazeley, dann müssen Sie wohl härtere Geschütze auffahren, um ihr zu helfen.“
Valender errötete. „Sie meinen kein Opium, oder?“
Mrs Lucius lachte. „Sie wissen, was ich meine, mein Junge. Sie sind doch kein Trottel. Oder etwa doch?“
Ich fürchte schon, dachte Valender, bemühte sich aber um ein L ä cheln.
„ Eine Umarmung wäre ja schon mal ein Anfang. So fängt man so etwas an, Mr Beazeley.“
Wenn man es auf eine Romanze anlegte – natürlich.
Es war alles so absurd. Alles, was
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