Schlüsselspiele für drei Paare
aufgelöst. Ich habe rund fünfhunderttausend Mark hier. Drüben im Safe. Bares Geld. Weitere zweihunderttausend Mark werden in diesen Tagen auf eine Bank in Rio überwiesen, von meinen Schweizer Konten. Das ist eine Masse Geld, Rita. Damit kann man irgendwo etwas Neues anfangen. Eine kleine bürgerliche Existenz, ruhig, zufrieden, unauffällig, glücklich.«
Rita nickte. »Ich beneide Eva darum. Ich werde nie ein ruhiges Leben haben. Du triffst dich mit ihr in London?«
»Nein. Eva bleibt in der Schweiz. Vorläufig. Ich fliege ohne sie.«
»Aber du hast doch von zwei Karten gesprochen?«
»Allerdings.« Volbert tastete nach Ritas Hand. Sie war kalt wie eine Totenhand. »Ich habe auch gesagt: Ich fange ein neues Leben an. Ganz neu. Ohne Eva! Rita –«, er schluckte mehrmals, ehe er weitersprach. »Willst du mir dabei helfen?«
»Ich?« Ritas Gesicht war eine einzige große Frage.
»Ja. Die zweite Karte ist für dich …«
»Ich soll mit dir –«
»Nur, wenn du willst.« Er zog die Hand an sich und küßte sie innig. »Ich liebe dich, Rita.«
»Ich kann keinen mehr lieben. In mir ist alles tot.«
Sie schloß die Augen und beugte den Kopf in den Nacken. »Ich bin mit ihm gestorben. Er hat auch mir ins Genick geschossen.«
Volbert legte den Arm um ihre zuckende Schulter. Was soll man jetzt noch sagen, dachte er. Ich weiß ja, daß sie mich nie geliebt hat, daß ich nur ein Partner in dem Schlüsselspiel war, eine einfältige Schachfigur im Spiel Ostras.
»Das Leben geht weiter, Rita«, sagte er heiser. »In ein paar Wochen oder Monaten wird auch diese Wunde vernarben. Aber es liegen noch Jahre vor uns. Jahre, die wir glücklich sein können. Irgendwo in einem Winkel der Welt, wo wir ganz allein sind. Rita, ich bete dich an.«
»Ich weiß es, Friedrich. Aber ich liebe dich nicht.« Es klang, als bitte sie um Verzeihung.
»Wir werden uns aneinander gewöhnen. Ich habe alle Brücken hinter mir abgebrochen. Deinetwegen. Morgen früh startet das Flugzeug in eine neue Welt … in unsere Welt, wenn du willst, Rita!« Er nahm ihren Kopf zwischen seine Hände, und sie ließ es geschehen mit geschlossenen Augen. Ihre Lider zitterten dabei. »Wir wollen gemeinsam vergessen. Gemeinsam ist es leichter. Wir werden nicht üppig leben können, aber wir werden zufrieden sein. Wenn du das ertragen kannst …«
»Wo komme ich denn her?« sagte sie leise. »Mit vierzehn Jahren hat mich meine Mutter an einen Mann verkauft. Von diesem Tage an war mein Körper nur Ware. Willst du mit so etwas zusammenleben?«
»Ja. Das will ich. Die vom Leben Verpfuschten gehören zusammen.« Volbert küßte sie zart auf die Lippen. »Komm mit. Was willst du sonst tun?«
»Ostra töten!« antwortete sie dumpf.
»Er wird seiner Strafe nicht davonlaufen können. Warum willst du alles in dir zerstören?« Er nahm das Glas mit dem Cocktail und setzte es ihr an den Mund. Gierig, als verdurste sie, trank sie. »Sollen wir es nicht versuchen, wir zwei?«
»Und Eva?«
»Sie wird Ersatz finden. Ich bin ihr gar nichts. Nur ein volles Portemonnaie. Ob ich Volbert, Schmitz oder Schnickschnack heiße, das ist ihr egal. Für Eva beginnt ein Drama nur, wenn kein Geld da ist. Fliegen wir?«
Rita Camargo antwortete nicht.
Am Morgen, nach dem Kaffee, verließ Ostra das Haus Volberts. »Kassieren!« sagte er fröhlich. »Bevor ich das teure Vaterland wieder verlasse, sollen einige hohe Herren für die Abende in Bogenhausen zahlen. Ich bin mittags wieder da. Gehen wir in Geiselgasteig essen?«
»Ja!« Rita nickte ihm zu. »Kann ich noch etwas für dich tun?«
»Ist sie nicht ein braves Mädchen?« lachte Ostra und blinzelte Volbert zu. »Du kannst schon die Koffer packen, mein Süßes.«
»Das werde ich«, sagte Rita.
Volbert atmete auf, als Ostra das Haus verlassen hatte und mit Volberts Wagen, als sei das selbstverständlich, in die Stadt fuhr. Dann sah er auf die Uhr.
»Noch eine Stunde, Rita. Ich rufe sofort ein Taxi.« Er lief Rita nach, die schnell zur Treppe ging. »Ist alles fertig?«
»Alles.« Sie drehte sich um und legte die Hände auf Volberts Schultern. Ihre Augen hatten einen matten Samtglanz. »Überleg dir, was du tust. Du wirst mich als Gepäck mitschleppen müssen … immer!«
»Ich bin wie ein Blinder ohne dich, Rita.« Er atmete tief auf, wandte sich dann ab und lief zum Telefon.
Und zum erstenmal ging er über den eingetrockneten Blutfleck. Er merkte es gar nicht.
Pünktlich um 9.17 Uhr rollte das vierstrahlige Düsenflugzeug
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