Schlüsselspiele für drei Paare
sehr zerzaust, und auf der gebräunten Haut Dollys macht es sich besonders gut.
»Guten Abend, Herr Ministerialdirektor«, sagte Ostra höflich und nahm den Hut ab. »Es freut mich, Sie so gesund zu sehen.«
»Guten Abend.« Stubbenhausen musterte den fremden Besucher. »Woher kennen wir uns? Ehrlich, ich hatte einen anderen Herrn erwartet. Ich muß Ihnen sagen, ich bin sehr in Eile. Darf ich fragen, wer Sie …«
»Sie wohnen schön hier.« Ostra war an dem verblüfften Stubbenhausen vorbei in die Wohnung getreten. Der Ministerialdirektor folgte ihm. Sein Gesicht rötete sich nach der ersten Verwunderung.
»Was erlauben Sie sich, mein Herr!« rief er empört. »Ich habe Sie nicht gebeten, bei mir einzutreten!«
Ostra lächelte milde und legte seine Aktentasche vorsichtig, als enthalte sie zerbrechliches Material, auf einen niedrigen Tisch mit Glasplatte. Er sah sich um. Sie waren allein, was Ostra sehr beruhigte.
»Herr von Stubbenhausen!« sagte er und betonte jedes Wort. »Ich komme aus München. Ich habe Grüße zu überbringen. Von Putzi, wie Sie Dolly nannten. Oder Mauseöhrchen.«
Ministerialdirektor von Stubbenhausen schloß schnell die Flurtür, die er noch offengehalten hatte. Über sein aristokratisches Gesicht zuckte es wie Wetterleuchten.
»Ich kenne keine Dolly!« sagte er steif. »Aber ich werde Sie sofort der Polizei übergeben!«
Er griff zum Telefon, das neben der Tür hing, und nahm den Hörer ab. Dabei sah er Ostra voll Verachtung an.
»Sie sind bei mir an der falschen Adresse!«
Es gibt im Leben Augenblicke, in denen man glaubt, der sonst so harte Boden der Erde werde weich und rolle unter einem weg. Man ist dann hilflos und von einer kindlichen Ratlosigkeit.
Nicht anders erging es Peter Ostra in diesen Minuten. Er zögerte, er umklammerte seine Aktentasche, und immer wieder sagte er sich: Das kann kein Irrtum sein! Der Name stimmt, die Fotos zeigen diesen distinguierten Herrn in durchaus nicht korrekten Posen – und doch steht er nun da und ruft die Polizei.
Sekunden dehnten sich wie Stunden. Ministerialdirektor von Stubbenhausen hielt den Hörer in der Hand, der Zeigefinger steckte in einem der Nummernlöcher der Wählscheibe, und seine Finger zitterten vor Empörung. Aber er drehte keine Rufnummer; er wartete, was Ostra tat, und starrte seinen Besucher feindselig an.
Es dauerte verhältnismäßig lange, bis Ostra erkannte, daß er geblufft wurde. Daß man ihm Angst einjagen wollte. Daß man nur darauf wartete, daß er die Flucht ergriff. Daß Stubbenhausen gar nicht daran dachte, die Polizei zu rufen. Hoheitsvoll, in blütenweißem Hemd, dunkelblauer Hose und stahlblauem Schlips stand er an der Tür, ein Bild der Empörung.
Über das Gesicht Ostras lief ein leises Lächeln. So stirbt ein Preuße, dachte er fast mitleidig. Mit wehenden weißen Haaren und durchgedrücktem Kreuz. So gehen Kapitäne mit ihren Schiffen unter. Es fehlt nur noch, daß er die Hand an eine imaginäre Mütze legt. Hurra! Hurra! Hurra! Nur schade ist's, daß dieses Heldentum im Bett von Dolly endet …
Mit einem leichten Kopfschütteln setzte sich Ostra hinter den gläsernen Tisch, holte seine goldene Zigarettendose aus der Tasche und brannte sich mit einem Streichholz eine Zigarette an. Sein goldenes Feuerzeug, ein Geschenk von Rita Camargo, hatte er in München vergessen. Schon im Zug hatte er es bemerkt. Wird im grauen Anzug sein, dachte er. Und vergaß es wieder.
Ministerialdirektor von Stubbenhausen bekam große Kinderaugen. Sein Zeigefinger drehte die erste Zahl, aber dann sank seine Hand schlaff herunter.
»Ich rufe die Polizei«, sagte er noch einmal. Diesmal war seine Stimme weniger forsch.
Ostra winkte ihm höflich zu, wie eine Einladung. »Bitte!«
Stubbenhausen legte den Hörer auf. Als er jetzt in den Lichtkreis der Deckenlampe trat, hatte sein Gesicht eine fahle Farbe. »Sie wollen mich erpressen?« sagte er dumpf. »Sie wissen etwas – angeblich – und machen es zu Kapital. Das ist schmutzig!«
»Was ist nicht schmutzig, Herr von Stubbenhausen?« Ostra nickte, als der Ministerialdirektor mit zitternden Händen und stummer Frage eine Kognakflasche hochhielt. »Unsere Generation hat nur Dreckiges erlebt. Zwei Weltkriege, der Inbegriff des Drecks! Eine Politik, die wie Teer klebt! Eine Moral, die vor Heuchelei stinkt wie Schwefelwasserstoff. Das ganze Leben ist eine Kloake. Da nützt es auch nichts, wenn man dieses Scheißhaus mit Seide und Pelzen verkleidet.«
Stubbenhausen blieb
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