Schlüsselspiele für drei Paare
wird.« Ostra faltete die Hände und lehnte sich in den Sessel zurück. »Wie viele Jahre Staatsdienst haben Sie noch bis zur Pensionierung vor sich?«
»Zwölf Jahre.«
»Und dann beginnt erst Ihr zufriedenes, schönes Leben. Ein Mann mit guter Pension. Ein Häuschen im Grünen. Reisen in den warmen Süden. Das Leben genießen. Wollen Sie das alles opfern?«
»Ich verrate mein Vaterland nicht!« keuchte Stubbenhausen.
»Das Vaterland wird es Ihnen niemals danken. Sehen Sie sich die deutsche Geschichte an! Wo ist Dank? Es gibt nichts Unmoralischeres als das Vaterland, mein Guter. Ich habe da meine Erfahrungen. In zwölf Jahren dürfen Sie endlich leben, sorgenfrei und ohne Vorgesetzte … Sie sollten sich das erhalten und nicht daran denken, ob Sie es wert sind. Diese Skrupel hat Ihr Vaterland nicht. Es treibt die Steuern seiner Bürger ein, bis zum letzten Blutstropfen gewissermaßen, um dann die Millionen zu verschenken, nur, um in der Welt ein Gesicht zu haben. Mit dem Geld des Volkes kauft es sich das Ansehen in der Welt. Ein käufliches Ansehen! Ist das Vaterland besser als eine Hure? Mein Lieber, es ist miserabler. Es ist wie der häßliche Strichjunge, der nicht einen Groschen dafür nimmt, sondern einen Groschen dafür bezahlt, daß man ihn anfaßt. Und vor diesem Vaterland haben Sie moralische Bedenken?«
Ministerialdirektor von Stubbenhausen riß den Schlips herunter und knöpfte sich den Kragen auf. Im gleichen Augenblick klingelte es.
»Wer ist das?« fragte er.
»Ich sagte Ihnen doch: Ich erwarte Besuch. Wir wollten essen gehen.«
»Eine Dame?«
»Nein. Ein Kollege vom Auswärtigen Amt.«
»Öffnen Sie nicht!«
»Aber ich habe doch gesagt, daß ich …«
»Drehen Sie das Licht aus!« Die Stimme Ostras war kalt und hart. Ein Kommandoton, der Stubbenhausen maßlos irritierte. So können nur ehemalige Offiziere sprechen!
Es klingelte wieder. Stubbenhausen wischte sich den Schweiß von der Stirn.
»Licht aus!« schrie Ostra. »Sie sind schon weggegangen.«
»Er kommt aber pünktlich.« Der Ministerialdirektor sah auf seine Uhr. »Peinlich pünktlich.« Mit schleppenden Schritten ging er zum Lichtschalter und drehte die Beleuchtung aus. Fahle Dunkelheit umgab sie. Durch das Fenster kroch der Widerschein der Straßenbeleuchtung.
Noch dreimal klingelte es, das letzte Mal anhaltend. Dann war es ein paar Minuten still. Ostra und Stubbenhausen saßen sich in der Dunkelheit gegenüber, schweigend und mit jagenden Gedanken.
Ich öffne, dachte Stubbenhausen. Ich opfere mich dem Vaterland. Lieber ein Abschied frühzeitig, aber in Ehren, als bis zum Lebensende mit dem Bewußtsein herumzulaufen: Du hast dein Volk verraten. Ich würde daran zugrunde gehen.
Er entgleitet mir, dachte Ostra. Mit der Feinfühligkeit eines Tieres erriet er den inneren Zweikampf Stubbenhausens. Vor drei Minuten war er zu allem bereit, aber jetzt saugt er wieder Kraft aus seinem deutschen Gewissen. Sie schraken zusammen, als es erneut schellte. Stubbenhausen beugte sich vor.
»Die Wohnungsklingel«, flüsterte er. »Er ist mit dem Fahrstuhl heraufgekommen und steht vor der Tür.«
Ostra legte den Finger auf die Lippen. Zweimal klopfte es sogar an der Tür … dann dehnte sich die Ruhe qualvoll über Minuten aus. Stubbenhausen wollte aufstehen, aber Ostra winkte energisch ab.
»Er ist gegangen«, sagte der Ministerialdirektor. »Kann ich das Licht wieder anknipsen?«
»Nein! Lassen Sie es aus! Wir können uns auch ohne Licht verständigen.« Ostra beugte sich über dem Tisch vor. Wie eine Mumie, starr und faltig, saß Stubbenhausen ihm gegenüber im fahlen Dämmern des Straßenlichtes. »Ich brauche von Ihnen Auskünfte über den Bau des Regierungs-Atombunkers, in dem bei der Übung Fallex 66 das Notparlament tagte, und bis morgen mittag Angaben über weitere Atombunker, die dem Schutz von staatlichen Stellen dienen und der Einlagerung von Regierungsakten. Habe ich mich klar ausgedrückt?«
»Ja –«
»Fangen wir also bei Fallex 66 an. Beschreiben Sie mir die technische Einrichtung des Bunkers.«
Ministerialdirektor von Stubbenhausen schwieg. Sein Kopf sank auf die Brust, dann fiel er nach vorn und schlug mit der Stirn auf die Glasplatte des Tisches. Schluchzen schüttelte den schweren Körper.
Der Mann weinte wie ein kleines Kind.
Mitleidlos holte Ostra ein kleines Batterietonbandgerät aus seiner Aktentasche und schaltete das Mikrofon ein.
»Ich habe Ihnen nichts zu sagen. Bitte, lassen Sie mich in Ruhe! Ich
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