Schluß mit cool (German Edition)
Michael das Notebook aus den Händen und knallte es ihm blitzschnell auf den Kopf, und Ellen fühlte Michael neben sich bewußtlos niedergehen. In diesem Augenblick wußte sie nicht mehr, was sie tat. Aber auf jeden Fall hatte sie genug von alledem, genug von Roy und diesem besoffenen Schläger voller Testosteron und von dem armseligen beengten Leben, das sie bei ihrer Mutter erwartete, deshalb erhob sie sich aus dem Sitz wie eine Rakete – und in der Hand hielt sie, wie ein flammendes Schwert, eine schmale Stahlgabel, die sie wohl aus dem leer gegessenen Tablett geschnappt hatte. Sie ging auf sein Gesicht los, auf seinen Kopf, seine Kehle, umfing ihn mit ihrem Körper, dabei sangen die Medikamente in ihrem Kopf, und der Scotch floß in ihren Adern wie Götterblut.
Sie legten eine Notlandung in Denver hin, dann wartete die Maschine in leisem Schneegewirbel auf dem Boden, während die Behörden an Bord kamen, um Lercher festzunehmen. Man hatte ihn schließlich doch überwältigt und mit Stoffservietten aus der ersten Klasse an seinen Sitz gefesselt, eine letzte Serviette steckte als Knebel in seinem Mund. Der Captain hatte über Lautsprecher eine Auswahl an Entschuldigungen abgegeben und dann, zu mattem Applaus aus der Kabine, für den Rest des Fluges Gratiskopfhörer und alle Drinks auf Kosten der Airline spendiert. Ellen saß benommen über dem nächsten Scotch, der Platz neben ihr nun endgültig unbesetzt. Noch vor den Männern in Uniform, die Lercher Handschellen und Fußfesseln angelegt hatten, waren die Sanitäter den Gang herangeeilt, um den armen Michael ins nächstgelegene Krankenhaus zu evakuieren, und sie würde nie vergessen, wie seine Augen in den Höhlen herumgerollt waren, als sie ihn auf die Trage gelegt hatten. Und Lercher, groß und voll blauer Flecken, der Kopf besoffen nach vorn gesunken, das getrocknete Blut auf der Wange verschmiert, wo sie mit der Gabel wieder und wieder hineingestochen hatte, als wollte sie mit einem stumpfen Messer einen Braten tranchieren. Jedenfalls wurde Lercher abgeführt wie Billy Tindall oder Lucas López im harten Griff des Rektors an einem schlimmen Tag in der La Cumbre Elementary School.
Sie nippte an ihrem Drink, ihr Gesichtsausdruck war erschlafft, der Blick ging ins Leere, alle im Flugzeug murmelten in Ehrfurcht. Die Leute warfen ihr verstohlene Blicke zu, die Satteltaschenfrau schenkte ihr ihr Exemplar der Januarausgabe des Cosmopolitan , sogar der Captain sah vorbei, um ihr persönlich zu danken. Und die Flugbegleiterinnen – die waren so erleichtert, daß sie praktisch vor ihr in die Knie gingen. Es war ihr egal. Alles war egal. Sie würde Formulare ausfüllen müssen, dann ein Aufenthalt in Chicago, ein ereignisloser Flug nach New York, Ankunft mit acht Stunden Verspätung. Ihre Mutter würde dasein, voller Mitleid und Resignation, zu zartbesaitet, um Roy oder die Schule oder irgendeines der traurigen Details ihres Umzugs zu erwähnen, die Verschwendung der neuen Mikrowelle und der vielen Möbel, die im Sperrmüll gelandet waren. Sie würde lächeln, und Ellen würde zurücklächeln. »Ist das alles?« würde ihre Mutter fragen, angesichts der Reisetasche, die sie über der Schulter trug. »Du mußt doch irgendwelches Gepäck haben?« Und dann, wenn sie den teppichbezogenen Korridor entlanggingen, zwei Frauen mitten im Gedränge der Menschen, kurz vor den Feiertagen, draußen das Schneegestöber, würde ihre Mutter sie am Arm nehmen, sie anlächeln und, nur um etwas zu sagen, irgend etwas, ihr die Frage stellen: »Hast du einen guten Flug gehabt?«
Die schwarz-weißen Schwestern
Ich hab ihnen immer den Rasen gemäht, also das heißt, bevor sie ihn dann asphaltieren ließen. Moira, die ältere der beiden, die mit den weißen Haaren und dem vanillefarbenen Rock, teilte mir die schlechte Nachricht mit. »Vincent«, sagte sie, »Caitlin und ich haben beschlossen, daß wir auf den Rasen verzichten wollen – und auf die Sträucher und die Blumen auch.« (Wir saßen bei dem Gespräch in der Küche – einem Ort, der jede Ahnung von Farbe verloren hatte. Caitlin stand irgendwo in der Tür mit ihrem frisch aufvulkanisierten Haar und dem Sahnetortengesicht, und übrigens heiße ich Larry, nicht Vincent – nur damit ihr das hier in der Perspektive seht.)
Ich scharrte mit den Füßen und senkte den Kopf. »Dann braucht ihr wohl keinen Gärtner mehr, was?«
Moira wechselte einen Blick mit ihrer Schwester, die genau in meinem Alter war: zweiundvierzig. Das wußte
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