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Schluß mit cool (German Edition)

Schluß mit cool (German Edition)

Titel: Schluß mit cool (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C Boyle
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interessiert, vielleicht zum erstenmal seit vielen Monaten. »Sehen Sie diesen Mann da?« fragte sie mit leiser Stimme. »Den mit den komischen Haaren? Der saß auf dem vorigen Flug neben mir, auf dem, wo – na, ich hab’s Ihnen ja erzählt, wie ich aus dem Fenster gesehen hab und der Motor Feuer fing –, also, so sehr hab ich mich noch nie im Leben gefürchtet.«
    Turbulenzen erschütterten den Rumpf der Maschine, die Lichter flackerten kurz und wurden dann wieder hell. Michael schenkte sich ein zweites Glas Wein ein und gab mitfühlende Geräusche von sich. »Das haben Sie richtig gesehen? Flammen? Oder waren das nur Funken oder so?«
    Die Erinnerung ließ sie erschauern. »Flammen«, sagte sie, schürzte die Lippen und nickte heftig. »Ich hatte dermaßen Angst, daß ich sogar gebetet habe.« Sie sah kurz aus dem Fenster, wie um sich zu beruhigen. »Sie sind nicht religiös, oder?« fragte sie, als sie sich ihm wieder zuwandte.
    »Nein«, sagte er und hob dabei die Hand, um dem Thema die Kehle zuzudrücken, ehe es von ihm Besitz ergreifen konnte. »Ich bin Atheist. Ich meine, wir hatten keine bestimmte Religion bei uns zu Hause, so waren meine Eltern eben...«
    »Ich auch«, sagte sie und erinnerte sich an den Religionsunterricht, das Eintauchen in eiskaltes Weihwasser, ihre Mutter im schwarzen Schleier und den Priester beim Intonieren der einschläfernden uralten Wendungen ihrer Jugend, »aber als ich klein war, sind wir in die Kirche gegangen.«
    Er fragte nicht, in was für eine Kirche, und es herrschte eine Weile Schweigen zwischen ihnen; das Flugzeug wiegte sich sanft, und der große Kerl kam torkelnd von den Toiletten zurück. Ellen schloß wieder die Augen, nur für einen Moment, das Schwanken der Kabine und die Tabletten und der Scotch zogen sie hinab an einen tintenschwarzen Ort, der aussah wie die Öffnung eines verlassenen Brunnens oder auch wie eine Höhle tief in der Erde...
    Sie wurde jäh geweckt durch die plötzliche Explosion von Stimmen hinter ihr. »Einen Scheiß werd ich!« brüllte ein Mann, und sogar durch den Nebel des Erwachens erkannte sie ihn sofort.
    »Aber, Sir, ich habe es Ihnen schon gesagt, die Maschine ist voll. Das sehen Sie wohl selbst.«
    »Dann setzt mich eben nach vorne – und erzählt mir ja nicht, daß ihr da auch ausgebucht seid, denn ich bin vorhin dort gewesen, um aufs Klo zu gehen, und da ist jede Menge Platz. Das ist alles Scheiße. Ich lasse mich hier doch nicht einzwängen wie eine Ratte – ich hab den vollen Flugpreis gezahlt, und ich mach diesen Mist nicht länger mit, verstanden?«
    Die ersten Köpfe wandten sich um. Ellen sah zu Michael hinüber, aber der war mit seinem Computer beschäftigt, mit einer Nachricht, die sie nicht lesen konnte, in einer Sprache, die sie nicht sprach, eine Zeitlang starrte sie auf die Reihen der dunklen Zeichen, die da über das trübe Firmament des Bildschirms wanderten, dann reckte sie den Kopf, um über die Rückenlehne zu sehen. Lercher stand mitten auf dem Gang, die Schultern vorgeschoben, den Kopf erhoben in Richtung der niedrigen Decke. Zwei Flugbegleiterinnen, die mit dem breiten Gesicht und eine schmächtigere Frau, deren Haar sorgfältig zu einem französischen Zopf geflochten war, versperrten ihm den Weg.
    »Wir sind dagegen leider machtlos, Sir «, sagte die kleinere Frau mit einem Anflug von Gereiztheit. »Wie ich Ihnen bereits sagte, Ihr Ticket berechtigt Sie nicht zu einem Upgrade. Und nun muß ich Sie bitten, Ihren Platz wieder einzunehmen.«
    »Das ist doch alles Scheiße«, wiederholte er. »Zweieinhalb Stunden im Flughafen warten, dann bringt ihr uns auch noch zurück nach Los Angeles, und jetzt stecke ich in diesem Viehtransporter, und ihr wollt mir nicht mal einen verdammten Drink servieren? Hä? Wie soll man das nennen?« Er fuchtelte mit den Armen und sprach die ringsherum Sitzenden an; jeder einzelne wich seinem Blick aus. »Also, ich nenne das Scheiße!« brüllte er.
    Die beiden Frauen blieben ungerührt. »Setzen Sie sich, Sir. Sofort. Oder ich muß den Captain rufen.«
    Die Miene des großen Kerls änderte sich. Die Furche zwischen seinen Augen wurde tiefer; seine Lippen zogen sich zurück, als wollte er der ersten Stewardeß auf das makellose blaue Jackett spucken. »Na schön«, sagte er unheilvoll, »wenn ihr das so durchziehen wollt«, aber er drehte sich bereits um und torkelte zurück nach hinten, und die beiden Flugbegleiterinnen zockelten ihm hilflos hinterher. Ellen verdrehte sich auf ihrem

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