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Schluß mit cool (German Edition)

Schluß mit cool (German Edition)

Titel: Schluß mit cool (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C Boyle
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Sitz, um ihm nachzublicken, ihre Hüfte preßte sich gegen den Sicherheitsgurt, mit der rechten Hand stützte sie sich aus Versehen an Michaels Unterarm ab. »Oh, Entschuldigung«, murmelte sie, während Lercher in der hinteren Bordküche verschwand, dann wandte sie Michael das Gesicht zu. Er wirkte überrascht, und seine Augen funkelten so elektrisierend blau, daß sie an die Fische im Aquarium des Klassenzimmers denken mußte – an die Neon-Tetras mit ihren grellen Längsstreifen. »Haben Sie das gesehen? Ich meine, haben Sie ihn gehört? Das war der Mann, von dem ich vorhin erzählt habe.«
    Er zögerte einen Moment und starrte sie einfach nur an. »Nein«, sagte er dann, »ist mir nicht aufgefallen. Ich war – ich glaube, ich war so in meine Arbeit versunken, daß ich total vergessen habe, wo ich bin.«
    Ellens Miene verdüsterte sich. »Dieser Typ ist der reinste Abschaum«, sagte sie. »Einfach gemein, sonst nichts, wie die üblen Schläger auf dem Spielplatz...«
    Wieder entstand Unruhe im hinteren Teil des Flugzeugs, und als Ellen sich umdrehte, sah sie Lercher auf der anderen Seite aus der Bordküche herausstürmen, hinter sich die verschreckten Flugbegleiterinnen. Er hielt in jeder Hand eine Kaffeekanne aus funkelndem Stahl und lief den Gang entlang, und sein Blick war hart vor Haß. »Aus dem Weg!« schrie er und schubste eine wacklige alte Dame beiseite. »Wer sich mit mir anlegen will, kriegt kochenden Kaffee ab, ist das klar?«
    Die Leute erwachten schnaufend. Hundert Köpfe duckten sich vorsorglich, und auf jedem Gesicht lag ein Ausdruck, der besagte: Nicht jetzt, nicht hier, nicht mich! Keiner sagte ein Wort. Dann kam plötzlich ein Steward aus dem Erste-Klasse-Abteil gerannt und versuchte, den großen Kerl an der Hüfte zu packen, und Ellen hörte eine Frau aufschreien, als ihr heißer Kaffee in die Bluse floß. Lercher hielt sich wacker und schlug den Steward mit der Unterkante der um sich spritzenden Kanne zu Boden, dann umklammerten die beiden Flugbegleiterinnen seine Arme, und auch ein Passagier, ein schwerfälliger Mann mit Halbglatze, sprang wild entschlossen auf, um sich ins Getümmel zu stürzen.
    Für eine Weile entstand eine Art Gleichgewicht, bei dem die Gruppe mal vorwärts wogte und dann wieder zurückwich, doch Lercher war zu stark für sie. Er schlug den dicken Mann mit einem wuchtigen Schlag nieder, dann schüttelte er die beiden Frauen ab wie nichts. Die verbrühte Frau schrie erneut auf, und Ellen hatte das Gefühl, als drehte jemand ein Messer in ihr um. Sie konnte nicht atmen. Ihre Arme wurden schlaff. Lercher tanzte auf dem Gang herum, brüllte Obszönitäten, jetzt verschwand er wieder nach hinten in die Bordküche, und der Himmel mochte wissen, was für Waffen er dort noch finden würde.
    Wo blieb nur der Pilot? Wo war das Bordpersonal? Unter den Passagieren herrschte heller Aufruhr, Babys schrien, die Menschen riefen um Hilfe, alles war in Bewegung – Lercher war in der Küche, er zerlegte das Flugzeug, und niemand konnte etwas dagegen tun. Man hörte das Krachen eines umkippenden Servierwagens, mehrere laute Rufe, und plötzlich tauchte der Kerl am anderen Ende von Ellens Sitzreihe auf, das Gesicht so verzerrt, daß es gar nicht mehr menschlich wirkte. »Verrecken sollt ihr!« brüllte er. »Ihr werdet alle verrecken, ihr Arschlöcher!« Der hintere Notausstieg war unmittelbar neben ihm, und er hielt in seiner Wut inne, um mit seinem schweren Stiefel dagegenzutreten, und dann schlug er mit einer der Kaffeekannen auf das Plexiglasfenster ein, als könnte er es bersten lassen und in die Troposphäre heraussegeln wie eine Art menschliches Geschoß.
    »Ihr werdet alle sterben!« schrie er und drosch immer wieder gegen die Scheibe. »Ihr werdet ins Leere hinausgesaugt werden, ihr alle!« Ellen glaubte das Glas knacken zu hören – unternahm denn niemand etwas? –, und dann ließ er beide Kaffeekannen fallen und rannte den Gang entlang in Richtung der ersten Klasse.
    Bevor sie etwas unternehmen konnte, erhob sich Michael aus seiner Sitzposition, schwang sein Notebook quer über das Essenstablett der Satteltaschenfrau und erwischte Lercher mit einer der scharfen Kanten genau zwischen den Beinen. Ellen sah sein Gesicht, Lerchers Gesicht, verzerrt und verschwiemelt wie eine offene Wunde, und es senkte sich direkt auf Michael nieder, der sich in seiner zugeteilten Sitzbreite von fünfundvierzig Zentimetern kaum rühren konnten. Mit einem einzigen Schwung riß der große Kerl

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