Schluß mit cool (German Edition)
schwarze Saubohnen zusammenkochte, aber wegen des Essens war ich ja nicht hier. »Ja«, sagte ich, »nach der Arbeit auf dem Heimweg. Wieso? Willst du ausgehen?«
Wir standen in der Eingangshalle, in einer schwarz-weißen Welt, nicht mal Grautöne gab es hier: funkelnde Karofliesen, Stühle aus Ebenholz, ein japanisches Lackschränkchen. Caitlin schenkte mir ein Lächeln ihrer schwarzen Lippen.
»Ich?« fragte sie zurück. »Nö-nö. Nein, ich möchte nicht ausgehen.« Pause. »Ich will ins Bett.«
Im Bett, nachdem ich entdeckt hatte, daß sie auch ohne Kleider schwarz und weiß war, tranken wir Guinness und Starkbier und betrachteten die schimmernden Rosen, die in einer weißen Vase vor einer weißen Wand standen, was einen richtigen Trompe-l’œil-Effekt ergab. Und wir redeten. Redeten über Liebe und Lust und Verlust, redeten über die Welt und ihre Moden und ihre Farben, redeten immer wieder um das Thema herum, das zwischen uns stand. Zum zweitenmal waren wir einander sehr nahe gekommen, wir lagen uns in den Armen, den schwarzen Lippenstift hatte ich ihr weggeküßt, und so kehrte ich zu der Frage zurück, die ich ihr beim letztenmal in der Küche gestellt hatte. »Also?« meinte ich. »Okay. Es mag eine lange Geschichte sein, aber die Nacht ist auch noch lang, und ich sag dir, ich fühle mich nicht im mindesten müde. Also wie ist das, die Sache mit dem Schwarz Weiß? Erzähl’s mir.«
Es wäre eine bessere Story, wenn irgendein grausiges Geheimnis dahintergesteckt hätte, wie in Faulkners Eine Rose für Emily – wenn etwa Moira in Schleier und weißem Satin allein vor dem Altar gewartet hätte oder von irgendeinem Neon-Hippie in einem irisierend rosa Hemd und einer grellbunten Batikjacke verführt und dann im Stich gelassen worden wäre –, aber es hatte völlig andere Gründe. Sie war einfach depressiv. Hatte Angst vor der Welt. Wollte die Kontrolle behalten. »Aber wie ist es mit dir?« Ich sah Caitlin fragend in die Augen. »Empfindest du denn genauso?«
Wir waren nackt, lagen einander in den Armen und streckten uns in ihrem Bett aus. Sie zuckte die Achseln. »Irgendwie schon«, sagte sie. »Als wir klein waren, bevor wir nach New York gezogen sind, haben Moira und ich immer Fernsehen geguckt, alles in Schwarzweiß damals, Fred MacMurray, Donna Reed, Vater ist der Beste und so, da hatten wir ein Spiel, eigentlich eine Wette, und zwar welche von uns ihr Zimmer am besten so einrichten konnte wie die Welt in diesen Sendungen, in denen am Ende immer alles gut wurde. Ich wollte Weiß, aber Moira war die ältere, also kriegte ich Schwarz.«
Es ging noch weiter, nur kam der nächste Satz – »Unsere Eltern fanden das natürlich gar nicht gut« – nicht von Caitlin, sondern von ihrer Schwester. Vielleicht hatte ich einen Moment lang die Augen geschlossen, ich weiß nicht genau, jedenfalls stand da auf einmal Moira, ganz in Weiß, und hockte sich ans Fußende des Betts. Ihre Lippen schürzten sich zu einem schmalen Bogen, als erschiene ihr die Szene geschmacklos, doch sie sah mich unerschrocken an. »In New York damals war auf einmal alles in Rosa, Chiffon und Spitze, pfirsich- und champagnerfarben, das Rosa kleiner Mädchen und errötender junger Damen. Denn genau das wollte Daddy – und seine Frau ebenso. Kleine Mädchen. Richtig normale, süße, knicksende und respektvoll flüsternde kleine Mädchen, die ihm für eine Gutenachtgeschichte auf den Schoß krabbelten. Ich war damals sechzehn, Vincent. Caitlin war vierzehn. Verstehst du? Verstehst du das?«
Ich zog mir die schwarzen Laken um die Hüften und versuchte, das Pochen in meiner Brust zu besänftigen. Es war eine zweifelsohne ungewöhnliche Situation, um es vorsichtig zu sagen – ich war ja kein Waisenknabe, aber das hier lag außerhalb meiner Spielklasse. Ich wollte etwas sagen, aber um nichts in der Welt fiel mir etwas Passendes ein. Mein rechter Arm ruhte unter der süßen Last von Caitlins Schultern. Ich drückte sie, um etwas ruhiger zu werden.
»O nein – nicht, was du jetzt denkst, Larry«, sagte Caitlin und kam mir damit zuvor. »Keine Schweinereien. Aber Daddy wollte eben, daß unser Schwarz und Weiß ein Ende hätte, und wir – wir wollten das nicht. Stimmt’s, Moira?«
Moira starrte durch das Zimmer auf die Fenster, in denen die absolute und unverfälschte Nacht prangte. »Nein, Caitly, wir wollten es nicht. Und das haben wir ihnen ja dann auch gezeigt, was?«
Ich spürte, wie sich Caitlin neben mir anspannte. In diesem
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