Schluß mit cool (German Edition)
von Gelb, Rot, Rosa oder Orange ebensowenig. Ich fragte mich, was sie empfanden, Moira und ihre süße versonnene Schwester, wenn sie aus dem Haus auf ihr perfekt konturiertes Plateau traten und dann in das weite luftige Blau des Himmels mit der hartnäckig goldenen Sonne darin emporblickten. Enttäuschung? Frustration? Trauer darüber, daß Gott uns nicht alle so farbenblind wie Hunde geschaffen hat? Vielleicht sollten sie noch ein Stück weitergehen und das Haus überdachen – klar doch, genau wie ein Baseballstadion, und die Decke könnten sie dann in Alpina-weiß streichen. Oder das Tageslicht überhaupt meiden. Eine schöne Sternennacht würde ihr System wohl nicht durcheinanderbringen.
Klinge ich etwa verbittert? Ja, ich war verbittert – und angewidert von mir selbst, weil ich bei diesem ganzen Fiasko mitgemacht hatte. Es war alles so endgültig, so negativ, lebensfeindlich und trostlos. Moira war krank, ihr Herz und ihr Hirn mußten so schwarz sein wie die Kleider ihrer Schwester, aber Caitlin... Ich konnte nicht glauben, daß sie ebenso hinüber war. Nicht nach diesem Tag, an dem wir Bier getrunken und in Erinnerungen geschwelgt hatten, nicht bei der Art, wie sie mich angegrinst und meinen Namen gesagt hatte, meinen richtigen Namen und keine klapsmühlenmäßige Erfindung. (Wer war überhaupt dieser Vincent? Das wüßte ich ja gern.) Nein, hier gab es Gefühle, da war ich mir sicher, und auch Sinnlichkeit und Wärme. Und Begehren. Ziemlich viel Begehren. Und deshalb verlangsamte ich oft ein wenig vor ihrem Lattenzaun, wenn ich von einem Job zum anderen fuhr, immer in der Hoffnung, einen Blick auf Caitlin zu erhaschen, wie sie ihren Mercedes rückwärts durch das Tor setzte oder den Briefkasten leerte, aber ich bekam immer nur die kahle weiße Fläche des Zauns zu Gesicht.
Dann eines Abends, es war noch früh, und ich aalte mich in der Badewanne, wo ich mir die smaragdgrünen Flecken von Super-Schnelldünger an Händen und Unterarmen abzuschrubben versuchte, klingelte das Telefon. Ich schaffte es, triefnaß, beim fünften Läuten. Es war Caitlin. »Larry«, sagte sie, »hallo. Hör mal...« – ihre Stimme klang leise und kehlig, »du fehlst mir irgendwie, ich meine, daß du nicht mehr bei uns arbeitest. Ich würde dich gern mal auf ein Bier einladen...«
»Bin sofort bei dir«, sagte ich.
Es war Hochsommer und immer noch hell, als ich ankam, die Straßen badeten in einem weichen, milchigen Licht, Schwalbenschwänze flatterten umher, Bougainvillea, Hibiskus, Goldmargeriten und Oleander flammten gegen die hereinbrechende Nacht an. Ich hatte mich automatisch in schwarze Jeans und ein schlichtes weißes T-Shirt geworfen, nur beim Hinausgehen griff ich noch rasch in die Garderobe und zog eine kleeblattgrüne Sportjacke heraus, die ich mir irgendwann für die Parade zum St. Patrick’s Day gekauft hatte – so ein Ding, bei dem man die Geldausgabe längst bedauert, wenn das letzte Bier geleert ist und der Fiedler seine Fiedel beiseite legt. Aber bei meiner Seele, was Caitlin nötig hatte, war ein bißchen Farbe in ihrem Leben, und ich war der Mann, der sie ihr bringen würde. Auf dem Weg hielt ich bei einer Blumenhandlung an und kaufte für sie ein Dutzend langstielige Rosen. Für die weißen hatte ich nur einen flüchtigen Blick übrig. Nein, die Rosen, die ich ihr aussuchte, waren so tief und echt wie alles, wofür zu leben sich lohnte: rote Rosen, grellrote Rosen – Rosen, deren Blüten sich aus den grünen Kelchblättern ergossen wie Blut aus einer offenen Schlagader.
Am Tor tippte ich den Code ein, lenkte meinen Pickup auf den riesigen Parkplatz, der ihr Garten nun war, und blieb gleich neben der Eingangstreppe stehen (mein Wagen ist übrigens weiß, wenn auch eine ziemlich verbeulte, zerschrammte und verdreckte Nuance von Weiß). Jedenfalls kletterte ich aus meinem weißen Auto – schwarze Jeans, weißes T-Shirt, knallgrüne Jacke –, ging über den Asphalt und die weißen Stufen hinauf, den Strauß blutroter Rosen unter den Arm geklemmt.
Caitlin öffnete mir die Tür. »Larry«, murmelte sie und ließ den Blick von meinem Gesicht auf die Jacke und wieder zurück schweifen, »schön, daß du gekommen bist. Hast du schon gegessen?«
Hatte ich. Einen Schleim-Hamburger, totfritierte Pommes und leicht vergorenes Sauerkraut beim Schweineimbiß um die Ecke. Nun hätte ich lügen können und mir die Szenerie ausmalen, wie sie einen Schokokuchen oder eine verkohlte Seezunge mit Sahnekartoffelbrei oder
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