Schluß mit cool (German Edition)
meines Sohnes inmitten eines Gewirrs aus Katzen, voll fester Entschlossenheit. Ihre Schwester Inge, zehn Jahre jünger als sie und unverheiratet, fährt extra von Ventura herauf, um mit ihr die Weihnachtseinkäufe im Shopping-Center zu erledigen, deshalb ist sie von rastloser Betriebsamkeit erfaßt. Aufgewacht und aufgestanden im ersten Morgengrauen, miauende Katzen um die Füße, den fettverkrusteten Topf auf den fettverkrusteten Gasherd gestellt, den Kaffee gebraut, schlüpft sie in einen hübschen Rock und eine nette Bluse (nach ausgedehnter Suche im Schrank des großen Schlafzimmers, wo aus der Matratze leider weiterhin eine bräunliche Flüssigkeit sickert), bindet das Haar zu einem Knoten und setzt sich hin, um aufgetautes Weißbrot, ranzigen Rahmkäse und Marmelade zu frühstücken, die alt genug für eine Bakterienkultur ist. Zu meiner Zeit gab es zwei Zeitungen zum Durchackern, dazu die Morgennachrichten im Radio, aber meine Witwe hat sich nie allzugern mit dem Procedere beim Empfangen und Begleichen von Rechnungen belastet (der Umschlag, der Barscheck, die Briefmarke), deshalb wurden die Zeitungsabos gekündigt. Was das Radio angeht, so mag es meine Witwe am liebsten ausgeschaltet. Sie denkt gar nichts, starrt ins Leere und dreht langsam die Kaffeetasse in den Händen, als es laut an der Küchentür klopft und Inges Gesicht im Rahmen des Glasfensters auftaucht.
Später, Stunden später, nach dem Abendessen im Thai Palace, nach dem Besuch diverser Schnäppchenläden im Einkaufszentrum, findet sich meine Witwe auf einmal mitten in einer Menge von Warenhauskunden bei Macy’s wieder. Sie mag Kaufhäuser nicht, mochte sie noch nie – da gab es keine Schnäppchen, jedenfalls selten –, aber ihre Schwester suchte nach einer Tischdecke für eine ihrer Großnichten, und so sieht sie sich plötzlich in der Wäscheabteilung, umringt von Frauen, die in Laken und Kissenbezügen und Textilartikeln fürs Badezimmer wühlen. Im Januar beginnt der Schlußverkauf, das weiß sie so sicher, wie sie weiß, daß es Blumen am Valentinstag und Narzissen zu Ostern gibt, und seit das Hausmädchen vor zehn Jahren gestorben ist, kann sie Bettwäsche eigentlich kaum noch brauchen – es macht ja im Grunde keiner mehr die Betten –, aber sie kann sich nicht beherrschen. Die Muster sind so einmalig, der Stoff so frisch und apart in der ordentlichen Plastikverpackung. Ringsherum lärmen Stimmen. Weihnachtsmusik von allen Seiten. Meine Witwe sieht sich nach einer Verkäuferin um.
Der zweite Ehemann
Er heißt – oder hieß – Roland Secourt. Er war einer dieser Typen, die sich nie allzusehr belastet haben mit Kleinigkeiten, etwa sich in der Jugend den Lebensunterhalt selbst zu verdienen, und er wirkte als alter Mann ziemlich eindrucksvoll, hatte noch alle Zähne und Haare und konnte aus eigener Kraft vom Wagen ins Haus gehen. Ich erinnere mich nur vage an ihn – er hat vor tausend Jahren mal unserem Sohn Klavierstunden gegeben, und ich glaube, er hat einen bewachten Parkplatz geleitet oder so ähnlich. Jedenfalls begann er fünf Jahre nach meinem Abgang damit, mit der einen oder anderen Ausrede in unserem Haus aufzutauchen – er fuhr zufällig vorbei und sah die Eingangstür offenstehen; er hatte auf einem Flohmarkt ein Dutzend Flaschen mit Preiselbeersaft erstanden und wußte nun überhaupt nicht, was er damit anfangen sollte; er wollte nur einfach fragen, ob meine Witwe Lust hätte, mit ihm in die Stadt zu gehen, um vielleicht einen Cocktail zu trinken und etwas zu essen –, und so dauerte es nicht lange, bis ihn meine Witwe, die der Leere erlegen war, die uns alle erfaßt, bei sich aufnahm.
Geliebt hat sie ihn allerdings nie. Er war ein Mann, ein Wesen in einem verkommenden Haus voller Katzen, ein farbloser Abklatsch von mir. Was brachte er mit ins Haus? Drei Pappkartons voll altmodischer Schuhe, Gürtelschnallen, Unterwäsche, einen Pokal, den er irgendwann in einem Pianowettbewerb gewonnen hatte. Sie waren rund neun Monate verheiratet, als er einen tiefen Atemzug tat, um am Abschlag zum vierten Loch auf dem Grün des La Cumbre Country Club einem Golfball den Gnadenstoß zu versetzen (ja, er war auf Golf fixiert, noch ein Punkt gegen ihn), dabei einen Stich in der Achsel verspürte, als hätte ihm jemand eine dieser langen blitzenden Punktionskanülen zwischen die Rippen gerammt, und mit dem Gesicht nach vorn mausetot auf das Grün fiel, ohne den Ball auch nur bewegt zu haben.
Das war vor geraumer Zeit. Meine Witwe hatte
Weitere Kostenlose Bücher