Schluß mit cool (German Edition)
Neugeborener.
»Sie sind ja völlig naß«, bemerkt sie, dabei führt sie ihn ins Haus und die leise ächzende Treppe hinauf, um den Ursprung des Tröpfelns zu präsentieren. Sie überlegt, ob sie anbieten soll, Kekse für ihn zu backen und ihm vielleicht ein Tütchen dieses Kakaopulvers aufzubrühen, das man nur mit Wasser aus der Mikrowelle zu übergießen braucht, und sie sieht sich und ihn bei einem Schwätzchen unten am Küchentisch sitzen, nachdem er mit dem Dach fertig ist – aber hat sie überhaupt Kakaopulver im Haus? Oder Nüsse, Mehl, Backpulver, braunen Zucker? Wie lange ist es schon her, daß sie daran gedacht hat, auch nur Mehl einzukaufen? Sie hatte mal einen Zweikilosack in der Speisekammer – daran erinnert sie sich genau –, aber war das nicht das Mehl, das voller Käfer gewesen war? Sie sieht die kleinen schwarzen Viecher noch vor sich, kaum so groß wie drei aneinandergeklebte Pfefferkörnchen, und in diesem Moment wird ihr klar, daß sie nicht mit diesem Mann schwatzen will – oder mit sonst irgendwem. Sie will nur, daß das Dach repariert wird, damit sie wieder in ihrem ruhigen Alte-Damen-Leben versinken kann.
»Übles Wetter«, keucht der Dachdecker, stampft in seinen Arbeitsstiefeln die Treppe hinauf und schlendert den oberen Flur entlang zum großen Schlafzimmer, dabei scheucht er mit jedem Schritt Katzen auf.
Das mit dem Kochtopf hat meine Witwe aufgegeben – zu anstrengend –, und seither schläft sie unten, im ehemaligen Zimmer unseres Sohnes. Infolgedessen ist das antike Bett, einst ein Serail für dreißig oder vierzig Katzen, inzwischen klatschnaß bis in die Sprungfedern und trieft von Wasser, das die Farbe von Tabaksaft hat.
»Ich kann es Ihnen flicken«, sagt der Dachdecker, nachdem er auf den Schlafzimmerbalkon hinausgetreten ist und das Dach von außen begutachtet hat, »aber im Sommer sollten Sie das Dach völlig neu decken lassen – das kann ich auch für Sie erledigen, und zu einem guten Preis obendrein. Dem besten in der ganzen Stadt sogar.« Der Dachdecker setzt ein breites bärtiges Geschäftsmännergrinsen auf, das an meiner Witwe allerdings vollkommen vorbeigeht.
»Aber dieses Dach«, sagt sie, »hat eine lebenslange Garantie.«
Der Dachdecker zuckt nur die Achseln. »Haben sie doch alle«, sagt er seufzend und verschwindet durch die Tür auf den Balkon. Als meine Witwe die Tür schließt, riecht sie den kräftigen Duft des arbeitenden Regens, der die Erde in den überwucherten Blumenbeeten lockert, und das leicht fischige Aroma der nassen Straße. Die Luft ist lebendig. Sie kann ihren Atem darin sehen. Sie beobachtet, wie die Beine des Dachdeckers am Fenster vorübertappen, als er sich die Leiter hinaufhievt und im Regenschleier entschwindet. Und dann, als sie es sich im Schlafzimmersessel gemütlich macht, hört sie ihn auch da oben auf dem Dach, seine schweren Schritte, den dumpfen Schlag des Hammers, der die Nägel eintreibt, und über alles legt sich der Geruch nach glühendheißem Teer.
Einkaufen
Zu ihrer Zeit war meine Witwe beim Einkaufen eine Glanznummer. Als Studienanfängerin hatte sie ein paar Semester Ethnologie belegt, und sie war der festen Überzeugung, es sei der Job einer Frau – ihr Bedürfnis, ihre Berufung und ihre Pflicht –, Vorräte für die schweren Zeiten anzusammeln, die da kommen würden. Nicht daß wir jemals schwere Zeiten durchlebt hätten – abgesehen davon vielleicht, daß wir während unseres Studiums ein bißchen sparen mußten und bei einer Japanreise irgendwann in den achtziger Jahren den Disporahmen unserer Kreditkarten total ausschöpften –, aber meine Witwe war auf alles vorbereitet. Beim Einkaufen legte sie eine Leidenschaft an den Tag wie nur wenige andere Frauen ihrer Generation. Ihre Sammlung von antiken Schmuckstücken, Glasobjekten, Porzellanfiguren und so weiter könnte heute möglicherweise echt wertvoll sein, wenn sie sie nur finden würde in den vollgestopften Höhlen und dunklen Gängen des Hauses und der Keller, und die schönen alten Sofas und Stühle aus der Craftsman-Ära, die in den unteren Räumen stehen, sind die reinsten Museumsstücke, oder sie wären es, wenn die Katzen sie nicht zerlegt hätten. Selbst jetzt, obwohl sie sich mehr und mehr zurückzieht und der Hast und Hektik der Welt vollends überdrüssig ist, kann meine Witwe noch losziehen und Einkaufsorgien veranstalten wie kaum sonstwer.
An einem Tag, den eine heftige kalte Brise vom Meer auffrischt, erwacht sie in dem schmalen Bett
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