Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schluß mit cool (German Edition)

Schluß mit cool (German Edition)

Titel: Schluß mit cool (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C Boyle
Vom Netzwerk:
ich müßte auch noch einen Briefkasten für das Ding suchen...«
    Darauf sagt meine Witwe das, was Bob Smith insgeheim erhofft hat: »Ach, Sie müssen sich nicht all diese Scherereien machen. Wissen Sie, ich würde sonst auch zu Ihnen kommen, aber ohne meine Brille zum Autofahren... die war in der Handtasche, wissen Sie, und ich habe zwar noch eine, mehrere Brillen sogar, aber irgendwie kann ich... ich kann sie einfach nicht...«
    »Das ist schon okay«, gurrt er, sein Tonfall gleitet wie Zucker in die Teetasse eines Kindes, »ich helfe Ihnen gern. Also dann, ist die Adresse auf Ihrem Führerschein noch die richtige?«
    Meine Witwe erwartet ihn an der Tür, als er durch das Gartentor tritt, Beine wie Eßstäbchen in Bewegung, das Haar ein gefärbter Flaum von nichts, steil nach oben gekämmt wie bei diesen Komikern in zu weiten Hosen aus der Zeit ihres Vaters, das Gesicht von Furchen durchzogen und ein Grinsen, das seine Augen beinahe in zwei Gullys aus ledriger Haut verschwinden läßt. Wäre ich noch am Leben, hätte der Typ es nicht weiter als bis ans Tor geschafft, völlig einerlei, wie alt ich wäre oder wie gebrechlich – dieser Kerl bedeutet Ärger, und meine Witwe merkt es nicht. Paß auf, Liebes, möchte ich sagen. Nimm dich in acht vor dem.
    Sie aber lächelt ihr hübsches Lächeln, dieses Lächeln, das auch nach den vielen Jahren noch die beiden gekräuselten Grübchen zeigt, und ihre Miene ist strahlend und heiter, als sie sagt: »Hallo, hallo, Mr. Smith«, und: »Wollen Sie nicht hereinkommen?«
    Das will er. Er duckt sich instinktiv beim Eintreten, als könnte sein Kopf den Türrahmen treffen, ein großer Mann mit baumelnden Händen, einem speckigen weißen Hemd und einem Schlips, der aussieht, als hätte jemand die Friteuse bei McDonald’s damit ausgewischt. In der linken Hand hält er eine braune Papiertüte, und als sie die Tür hinter ihm schließt und sechs, sieben Katzen ihn mißtrauisch von ihrem Ruhesitz auf dem Kaminsims beäugen, streckt er sie ihr entgegen. »Da ist sie drin«, sagte er, und tatsächlich, in der Tüte liegt ihre Handtasche: schwarzes Veloursleder mit der silbernen Schnalle und dem Fleck Ponzusauce auf der rechten Seite wie ein abstraktes Kunstwerk. Sie wurstelt sich durch die Tasche zu ihrem Portemonnaie und überlegt, ob sie ihm Finderlohn anbieten soll, aber dann fällt ihr ein, daß er ja gesagt hat, daß kein Geld mehr drin sei – hatte er nicht am Telefon gesagt, das Geld sei weg? »Ich würde gern...« fängt sie an, »ich meine, das war so nett von Ihnen, und ich...«
    Bob Smith hört ihr nicht zu. Er ist mittlerweile in die Arena des Wohnzimmers hineingewandert, hält die Hände hinter dem Rücken verschränkt und umrundet Berge von ausgelesenen Zeitschriften, umgestürzte Lampen und die von den Katzen zerfledderte Ottomane. Er hat den Blick eines möglichen Käufers: interessiert, aber noch nicht entschlossen. »Schönes altes Häuschen«, sagt er bedächtig.
    Meine Witwe, zutiefst erfüllt von Dankbarkeit, gibt ihm gern nähere Auskünfte. »Neunzehnhundertneun«, sagt sie und drückt ihre Tasche mit beiden Händen an sich. »Das einzige dieser Gegend im Prärie-Stil...«
    »Diese Teppiche und so«, sagt er daraufhin, »die dürften doch einiges wert sein. Dazu die ganze Keramik und das Messingzeugs – Schmuck haben Sie sicher auch, was?«
    »O ja«, sagt meine Witwe, »ich sammle antiken Schmuck, seit... na, schon seit der Zeit, als ich noch nicht selbst eine Antiquität war« – hier fügt sie ein kurzes Lachen an. Was für ein netter Herr, denkt sie, denn wie viele Menschen würden heutzutage einer alten Dame noch ihre Handtasche zurückbringen? Oder sonst irgend etwas? Einmal hat man ihr sogar den Rasenmäher aus der Garage gestohlen, und als ihr damals in Oxnard der Wagen liegengeblieben war, hatten nachher glatt alle vier Räder gefehlt. Sie fühlt sich schwummrig vor Glück, und sobald er wieder geht, möchte sie unbedingt Inge anrufen und ihr von der Handtasche erzählen, die zu ihr zurückgekehrt ist, als hätte sie Flügel gehabt.
    »Ihr Mann auch da?« fragt Bob Smith und geht bedächtig zu ihr zurück, wie ein Matrose auf dem schwankenden Deck eines Schiffes. Es sieht aus, als klebte ihm etwas an der linken Schuhsohle.
    »Mein Mann?« Wieder ein Lachen, das etwas gepreßt klingt und in der Kehle steckenbleibt. »Der ist leider seit zwanzig Jahren tot. Einundzwanzig. Oder nein, zweiundzwanzig.«
    »Kinder?«
    »Unser Sohn Philip lebt in Kalkutta, in

Weitere Kostenlose Bücher