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Schluß mit cool (German Edition)

Schluß mit cool (German Edition)

Titel: Schluß mit cool (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C Boyle
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unwiderlegbar. Aber die Sonne brannte auf die Erde nieder, daß sie zu Stein wurde, hart und undurchdringlich wie die Adobeziegel, die die Indianer und Mexikaner aufeinanderstapelten, um ihre schmutzigen schäbigen Häuser zu bauen. So viel hatte Baldassare bald herausgefunden in jenem lähmend heißen Sommer des Jahres 1905, schon innerhalb weniger Tage nachdem er dem Zug entstiegen war, samt Schaufel und Spitzhacke sowie dem Pappkoffer, der seinen kargen Vorrat an Pasta, Mehl und Bohnen enthielt. Er war quer durch das ganze Land gefahren, um das Grundstück in Besitz zu nehmen, auf dem bald die gezackten Blätter und die sanft geringelten Ranken seiner Reben ergrünen würden, die Reben des Weinguts Baldassare Forestiere.
    Als er aus dem Zug stieg und in der Luft die Wärme und den süßen Duft von Wachstum und Fruchtbarkeit schnupperte, da war er so voll der Hoffnung, daß ihn eine Art Ekstase erfaßte. In Kalifornien gab es Ölbäume, Orangen und Zitronen und Limetten, buschige Palmen, Weingärten und Baumwollfelder, die im Vorbeihuschen vor den Waggonfenstern alle möglichen Verheißungen hatten erstehen lassen. Nie wieder Schnee und Graupeln, keine nassen Füße und Überschuhe und auch keine Grippe, die einem die Muskeln im Rücken und in den Armen weich werden ließ, nur noch Hitze, gute Sizilianerhitze, eine Hitze, die einen bis ins dankbare Mark der glücklichen Sizilianerknochen wärmte.
    Als erstes fragte er am Bahnhof nach dem Weg, sein Englisch war ein Labyrinth aus vagen Verben und abgehackten Quaklauten, das selbst in seinen Ohren seltsam klang, das aber seinen Zweck erfüllte, und gleich danach ging er zu Fuß zurück in die Richtung, aus der er gekommen war, indem er dem Gittermuster der Gleise folgte. Fünf Kilometer nach Süden, dann ein trockenes Bachbett hinauf – da, wo zwei vom Feuer geschwärzte Eichen wie zwei verschlungene Arme miteinander verwachsen waren, er konnte es gar nicht verfehlen. Jedenfalls hatte ihm das der Mann auf dem Bahnsteig gesagt. Er war Farmer, dieser Mann, unzweifelhaft ein Farmer, in einer ausgeblichenen Latzhose und mit Strohhut auf dem Kopf, mit langer Nase und zwei blauen Flecken als Augen in dem sonnenverbrannten Gesicht. »Da sind die anderen Spaghettis auch hin«, hatte er gesagt, »da, wo ihnen Mead verkauft hat. Dreißig Hektar, stimmt’s? Dachte ich’s mir doch. Genau wie bei den anderen.«
    Als er ankam und seinen Pappkoffer im Staub abstellte, konnte er sich nicht beherrschen und schritt die gesamten dreißig Hektar ab, dabei hielt er die Vermessungskarte, die ihm Euphrates Mead per Post geschickt hatte, wie eine Wünschelrute vor sich. Das Land war in hundert Schattierungen eines bleichen Brauns und in ein welkes Graugrün getaucht, und überall lagen angewehte Steppenläufer herum, deren verdorrte Dornenskelette auf dem Boden zu Pulver zerkrümelten. Dieser Staub kroch ihm in den offenen Hemdkragen hinein, in seine Socken und Schuhe und den Hosenbund, es war eine juckende Landschaft, brennend und unbarmherzig. Über ihm schwebten Geier in den Strömungen des Aufwinds wie geflügelte Wesen aus Asche. Zu seinen Füßen huschten Eidechsen umher.
    An diesem Abend aß er Sardinen aus der Dose, leckte sich das Öl von den Fingern und tunkte Salzcracker in die Reste in den Ecken, dann breitete er eine Decke unter einer seiner Eichen aus und schlief, als hätte ihn jemand bewußtlos geschlagen. Am Morgen ging er zu Fuß in den nächsten Ort und kaufte sich eine Schubkarre. Er belud sie mit Lebensmitteln und zwei gewaltigen Kanistern, die früher einmal Olivenöl enthalten hatten, jetzt aber voller Wasser waren – allerdings war es eine ziemlich ölige und metallisch schmeckende Variante dessen, was er als Wasser kannte. Dann hob er die Griffe seiner Schubkarre, bis er das vertraute Stechen in den Muskeln um die Lendenwirbelsäule spürte, und lenkte die Karre den weiten Weg zurück an den künftigen Sitz des Weinguts Baldassare Forestiere.
    Er hatte immer in großem Stil geplant, selbst als er noch ein kleiner Junge war, der den Obstgarten seines Vaters durchwanderte, den Obstgarten, der niemals ihm gehören würde, und zwar wegen einer schlichten Verkettung von Biologie und Schicksal: seine Brüder waren vor ihm geboren. Falls, was Gott verhüten mochte, entweder Pietro oder Domenico sterben oder nach Argentinien oder Australien auswandern sollte, wäre immer noch der andere da, um ihm im Weg zu stehen. Doch Baldassare war nicht entmutigt – er wußte, daß

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