Schluß mit cool (German Edition)
hatte, wie er nur auftreiben konnte, nicht viel mehr zustande gebracht als einen Gemüsegarten, so winzig und begrenzt, daß jede Hausfrau sich seiner geschämt hätte. Er hatte sich Unabhängigkeit erträumt – von seinem Vater und seinen Brüdern, von den hartnasigen Yankees, die die Baustellen von Boston und Manhattan Island befehligten –, und was hatte es ihm eingebracht als eine erneute Lohnsklaverei?
Er war deprimiert. Bekümmert. Trübsinnig und bedrückt. Betrogen fühlte er sich, weniger von Mr. Euphrates Mead als vom Boden, von der Erde selbst. Wenn er in einer langen Reihe schwitzender Männer seine Schaufel handhabte, dachte er an den Freitod in seinen vielen bunten und ausgefeilten Formen, wollte die Augen für immer über seinem wertlosen Grundstück und seinem wertlosen Leben schließen. Dann aber saß er eines verregneten Nachmittags am Tresen von Siagris’ Drugstore, vor sich eine Tasse Kaffee und einen Hamburger, und hatte eine Vision, die alles umkehrte. Die Vision war höchst konkret und körperlich greifbar, sie bewegte sich mit der Eleganz und Nonchalance einer lebendigen Frau, einer Frau, die er ohne weiteres beinahe hätte berühren... »Kann ich Ihnen noch etwas bringen?« fragte sie.
Er war so überrumpelt, daß er ihr auf italienisch antwortete. Olivgrüne Augen, das Haar auf dem Kopf getürmt wie eine Praline, eine Haut, die man am liebsten gelöffelt hätte – aber hatte ihm nicht der alte Siagris, der haarige Grieche, seinen Hamburger gebraten und ihm auf den Tresen geknallt? Oder träumte er auf einmal?
Sie musterte ihn, eine kleine Falte zwischen den Augenbrauen, die Hände in die Hüften gestemmt. »Was haben Sie gesagt?«
»Ich meine...« Er fand die englischen Wörter nicht: »Nein, nein, danke... aber wer... ich meine...?«
Sie war gelassen – ein wahres Muster an Gelassenheit –, obwohl ihre übrigen Kunden, Männer im Anzug, eine Mutter mit zwei Jungen, die Eis vertilgten, sie jetzt alle beobachteten und schweigend auf ihre Antwort warteten. »Ich bin Ariadne«, sagte sie. »Ariadne Siagris.« Sie sah über die Schulter in Richtung des schwarzäugigen Mannes, der am Grill stand. »Das dort ist mein Onkel.«
Baldassare war entzückt – und auch ein wenig benebelt. Sie war schön, jedenfalls für seinen ausgehungerten Blick, und er hätte gern etwas Scharfsinniges zu ihr gesagt, um mit ihr zu flirten, etwas Witziges, damit sie wüßte, daß er nicht nur ein armseliger italienischer Arbeiter war, der kaum mehr vom Leben erwartete, als sein nächstes Hamburgersandwich bezahlen zu können, sondern ein Mann mir Vermögen, Grundbesitzer, künftiger Eigentümer des Weinguts Baldassare Forestiere. Nur fiel ihm einfach nichts ein, sein Hirn war festgeklemmt, die Zunge im Futteral des Mundes abgestorben. Dann aber spürte er, wie sein Kiefer aus eigenem Antrieb aufging, und hörte sich sagen: »Baldassare Forestiere, zu Ihren Diensten.«
An diesen Augenblick sollte er sich immer erinnern, bei allem Graben und Stemmen und Schubkarreschieben, das noch vor ihm lag, denn sie musterte ihn scharf, als könnte sie ihm bis auf die Knochen sehen, dann hoben sich ihre Mundwinkel, sie drückte zwei Finger an die Lippen und kicherte.
In dieser Nacht, als er in seinem erbärmlichen Bett in seiner erbärmlichen Kate lag, die nur wenig mehr als ein besserer Hühnerstall war, mußte er immer nur an sie denken. Ariadne Siagris. Sie oder keine. Ihretwegen war er nach Amerika gekommen, und er sprach laut ihren Namen aus, während der Regen auf sein primitives Dach niederprasselte und sich durch Hunderte von Löchern und Spalten hereinmogelte, um auf die ohnehin längst feuchte Bettwäsche zu tropfen, sprach laut ihren Namen aus und legte vor sich selbst das feierliche Gelübde ab, sie eines Tages zu seiner Braut zu machen. Doch es war kalt, und die Nacht jenseits der Wände war grenzenlos und schwarz, und seine Zähne klapperten dermaßen heftig, daß er kaum die Worte herausbrachte. Natürlich war er verrückt, und er wußte es. Wie konnte er glauben, eine Chance bei ihr zu haben? Was hatte er ihr schon zu bieten, einer jungen Frau wie ihr, die den weiten Weg von Chicago, Illinois, gereist war, um bei ihrem Onkel zu leben, dem wohlhabenden Griechen – einem Mädchen mit Schulbildung, das schöne Dinge und Bücher gewohnt war? Ja, er hatte Erkundigungen eingeholt – er war praktisch mit nichts anderem beschäftigt gewesen, seit er am Nachmittag diesen Drugstore verlassen hatte. Ihre Eltern
Weitere Kostenlose Bücher