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Schluß mit cool (German Edition)

Schluß mit cool (German Edition)

Titel: Schluß mit cool (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C Boyle
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wieder mich an und lächelte breit: »Wir können doch nicht zulassen, daß unser kleiner Kalifornier sich hier irgendwas abfriert, nicht wahr?«
    Philip pflichtete ihr bei, daß wir das nicht könnten, und dann grinsten wir uns eine Weile wortlos an, bis ich bemerkte: »Will mir denn keiner hier einen Drink anbieten?«
    Dann tauchten meine Neffen auf – rotgesichtige, krakeelende Babys in vollgekackten gelben Windeln, als ich sie zum letztenmal gesehen hatte, bei dem Begräbnis, das mich mit Zweiundzwanzig zur Vollwaise gemacht hatte, ihre kleinen Fäuste hatten beim Leichenschmaus nach dem Aufschnitt gegrapscht, und ihr Sabber vermengte sich mit den Dips –, aber jetzt waren sie auf einmal sechs und acht und kamen vorsichtig auf mich zu in ihren Basketballschuhen und den Sweatshirts in Übergröße, während ich mir den Scotch meines Bruders hineingoß. »Hallo«, sagte ich und grinste, bis mir fast der Kopf platzte, »kennt ihr mich noch? Ich bin euer Onkel Rick.«
    Sie kannten mich nicht mehr – war ja auch kaum zu erwarten –, doch ihre Augen strahlten auf beim Anblick der beiden gelben Tütchen mit Schoko-Erdnüssen, die ich vorausschauenderweise am Kiosk im Flughafen besorgt hatte. Josh, der Achtjährige, nahm mir die Tüte vorsichtig aus der Hand, sein Bruder aber wartete lieber ab, ob ich nicht doch noch Fangzähne blecken und schwarze Kotze verspritzen würde. Wir saßen zu fünft zusammen im Wohnzimmer, alles picobello wie in einer Zeitschrift für Wohndesign, und machten uns miteinander bekannt. Philip und Denise hielten ihre Drinks umklammert, als hätten sie Angst, jemand könnte sie klauen. Alle grinsten wie die Verrückten. »Was ist denn das da an deiner Augenbraue?« fragte Josh.
    Ich griff hinauf und betastete das goldene Schmuckstück. »Das ist ein Ring«, sagte ich. »Wie ein Ohrring, weißt du, nur daß er in meiner Augenbraue steckt.«
    Darauf sagte lange Zeit niemand etwas. Jeff, der jüngere Bruder, sah aus, als wollte er gleich anfangen zu heulen. »Warum?« fragte Josh schließlich, worauf Philip loslachte, und ich weiß auch nicht, warum – ich lachte selber. Es war in Ordnung. Alles war in Ordnung. Philip war mein Bruder, Denise meine Schwägerin, und diese Kinder mit ihren offenen Gesichtern und den Miniaturjeans waren meine Neffen. Ich zuckte die Achseln und lachte immer noch. »Weil’s eben cool ist«, sagte ich und störte mich nicht mal an dem Blick, mit dem Philip mich bedachte.
    Später, nachdem ich allen Ernstes auf das Hochbett der Kinder gekraxelt war und ihnen eine Gutenachtgeschichte vorgelesen hatte, die alle möglichen Erinnerungen durch meinen Kopf klingeln ließ, besprachen Philip, Denise und ich bei Kaffee und selbstgebackenen Zimtröllchen meine Zukunft. Und zwar meine unmittelbare Zukunft – sprich: am nächsten Morgen um acht Uhr in die Klinik. Ich würde dort einen Hilfsarbeiterdrecksjob bekommen, trotz meiner drei Jahre auf der Uni, meiner musikalischen Talente und aller Familienbande. Es ging darum, Reagenzgläser auszuspülen, Böden zu schrubben und das zu beseitigen, was in die Edelstahlwannen geworfen wurde, wenn mein Bruder und seine Kollegen mit ihren »Eingriffen« fertig waren.
    »Okay«, sagte ich. »Prima. Ich hab kein Problem damit.«
    Denise hatte auf der Couch die Beine unter sich gezogen. Sie trug einen gestreiften Kaftan, unter dem ganze Armeen Platz gehabt hätten. »Philip hatte vor dir einen Schwarzen angestellt, auf Vollzeitbasis, bis letzte Woche, der netteste Kerl, den man sich denken kann – und auch intelligent, sehr sogar –, aber er, äh, fühlte sich...«
    Philips Stimme erklang aus dem Dunkel am Ende der Couch und fügte hinzu, was sie unterdrückt hatte. »Er hat was Besseres gefunden«, sagte er und betrachtete mich unverwandt durch die Glaswände seiner Brille. »Leider fordert einen die Arbeit geistig nicht allzusehr heraus – ist auch nicht gerade anregend –, aber du weißt schon, kleiner Bruder, es ist ein Anfang, und, na ja...«
    »Ja, schon klar«, sagte ich, »einem geschenkten Gaul schaut man nicht ins Maul.« Ich wollte noch etwas anfügen, den Satz vielleicht abschwächen – er sollte nicht auf die Idee kommen, ich sei undankbar, das war ich keineswegs –, aber ich verpaßte die Gelegenheit. Denn in diesem Moment läutete das Telefon. Bei dem Geräusch blickte ich auf – es war kein richtiges Läuten, eher ein Meckern, ähähähähä – und sah, daß mein Bruder und seine Frau einander entsetzt anstarrten, als

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