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Schluß mit cool (German Edition)

Schluß mit cool (German Edition)

Titel: Schluß mit cool (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C Boyle
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auflehnte, bedeutete man ihr, draußen zu warten – auf der Straße, im Freien. Während sie frierend ausharrte und ich mich ins Koma zu saufen versuchte, telefonierte er. Rief weitere hundert Male in meiner Bude an, dann beim Sekretariat der Uni, beim Dekan und jedem anderen, der möglicherweise eine Ahnung über meinen Verbleib hätte haben können, und natürlich überstürzten die sich alle geradezu und alarmierten meine Profs, die Polizei der Stadt, Christus und wahrscheinlich auch noch das FBI , die CIA und die Kreditaufsicht.
    Und dann war es Zeit zum Mittagessen, und all die Grinsefressen und Obermacker der Englischen Fakultät wollten mit ihm das Brot brechen, also ging er zur Tür hinaus, nicht mit Judy am Arm oder einer Zufallsbekanntschaft, zum Beispiel seiner Lendenmasseuse der letzten Nacht oder der Stewardeß, die ihm sein Frühstück serviert hatte, sondern mit seinem Biographen. Seinem Biographen. Arm in Arm mit diesem Glatzkopf, der halb so groß wie er war und dessen Gesicht von einer Brille dezimiert wurde, die an jene Monstergeräte erinnerte, die Elton John immer auf der Bühne trug, es folgten ihm Würdenträger und Speichellecker, und wem läuft er vor dem Hotel über den Weg?
    Zehn Minuten später stampft er die Treppe zu Victorias Wohnung hinauf, und durch das Jammern der Sisters und das Wummern der Orgel höre ich seine Schritte, seine und nur seine, und mir wird eines klar: nach all den vielen Jahren kommt mich jetzt mein Vater holen.
    Mittagessen war im Bistro , einem der wenigen Schuppen der Stadt, die mehr als Pizza, Hamburger und Burritos auf der Karte hatten. Mein Vater präsidierte am Kopfende des Tisches, logisch, und ich, dreiviertel besoffen von weißem Rum, saß ihm zur Rechten. Victoria war gleich neben mir, mit verzückter Miene, und ihr Haar schlängelte sich um mich herum in Richtung des großen Dichters wie die Tentakeln einer unausrottbaren Pflanze, und der hinter seiner Brille versunkene Biograph kauerte neben ihr mit seinem kleinen schwarzen Notizblock. Der Rest des Tisches, mir gegenüber, war besetzt von diversen Angehörigen der Englischen Fakultät, die ich flüchtig kannte, und einigen älteren Juristentypen, die möglicherweise Dekane oder so was waren. Es gab einen peinlichen Moment, als Dr. Delpino, meine AmLit-Dozentin, hereinkam, doch nachdem sie zunächst Überraschung erkennen ließ und dabei wohl unsere gesamte Beziehung vom Namensaufruf jenes ersten Tages an neu einstufte, zeigte ihr Blick nichts als eine irgendwie sabbernde, schimmernde Ehrfurcht. Und wie war mir dabei? Übel. Ganz einfach übel.
    Ich trank verzweifelt tassenweise Kaffee und versuchte mich mit etwas zu entgiften, das sich Coquilles Saint-Jacques nannte und auf eine undefinierbare, in Schichten von undurchdringlichem Käsegratin eingeschweißte gummiartige Substanz hinauslief. Mein Vater hielt Volksreden, witzig, charmant und so von sich eingenommen wie sonst kein Mensch auf der Welt. Er sagte Dinge wie: »Ich bin froh, daß Sie mich zu dem einzigen Thema befragen, bei dem ich eine echte Autorität bin: zu mir selbst« und ließ alle paar Sätze die Namen der namhaften, bedeutenden Schauspieler fallen, die in der namhaften, bedeutenden Verfilmung seines letzten Romans die Hauptrollen gespielt hatten. »Tja also«, sagte er zum Beispiel, »was das angeht, hat mir Meryl mal erzählt...« Oder: »Als wir damals auf Barbados gedreht haben, bin ich mit Brad und Geena praktisch jeden Nachmittag schnorcheln gegangen, und danach gab’s immer Muschel-Ceviche und diesen Rumpunsch, den sie Mata-Mata nennen, nach der Schildkröte, und glaubt mir, das Zeug haut so was von rein...«
    Hinzu kam der Umstand, daß er ständig seinen Arm um die Rückenlehne meines Stuhls (und damit mir um die Schultern) legte, als wäre ich bei allen seinen faszinierenden Tête-à-têtes und sexuellen wie literarischen Meisterleistungen dabeigewesen, und man kann sich vorstellen, wie es mir ging. Aber was konnte ich tun? Er spielte eine Rolle, die jeden der berühmten Schauspieler, mit denen er prahlte, in den Schatten gestellt hätte, und auch ich spielte meinen Part: Obwohl ich innerlich kochte, obwohl ich mich verraten fühlte von Victoria und ihm und all den dumpf mampfenden Hundegesichtern, die ringsherum am Tisch vor ihm katzbuckelten, legte ich den artigen und stolzen Sohn geradezu oscarreif hin. Oder vielleicht war ich doch nicht so gut. Immerhin sprang ich nicht auf, warf den Tisch nicht um und nannte ihn nicht

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