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Schluß mit cool (German Edition)

Schluß mit cool (German Edition)

Titel: Schluß mit cool (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C Boyle
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feuchtglänzenden Schultern ihrer Parkas zu spüren, das außerirdische Trommeln der Eistropfen, die aus der Troposphäre niederprasselten, fremdartig und vertraut zugleich, und sie schlitterten den Fußweg zur Straße entlang und sahen zu, wie die vereisten Stromleitungen durchhingen und schwankten. Als sie zurückkehrten, zündete er ein Feuer im Kamin an, während sie sich das Haar mit einem Handtuch trocknete und heiße Schokolade mit Whiskey darin machte. Sie hatten sich ein paar Horrorvideos ausgeliehen, wegen des ritualisierten Trostes, den sie bereiteten – »Da experimentieren Teenager mit Sex«, sagte er, »und dann müssen sie mit ihren Körperteilen dafür bezahlen« –, der Lustmörder kam gerade durch den Lüftungsschacht geklettert, ein Fleischerhaken baumelte aus dem dunklen Loch seines leeren Ärmels, da klingelte das Telefon.
    Es war seine Mutter, die aus dem Hotelzimmer in Boston anrief, wo sie sich mit dem Mann, mit dem sie derzeit ausging, übers Wochenende eingemietet – eingenistet? – hatte. Er versuchte, sie sich vorzustellen, doch es gelang ihm nicht. Eine Minute lang schloß er sogar die Augen, um sich zu konzentrieren, aber da war nichts. Ob alles in Ordnung war, wollte sie wissen. Wegen des Eissturms und so? Nein, in Boston stürmte es noch nicht, aber sie hatten im Wetterfernsehen gesagt, daß etwas unterwegs war. Zwei Sekunden nachdem er aufgelegt hatte – ehe er noch den Startknopf des Videorecorders drücken konnte –, läutete es schon wieder, und diesmal war es ihre Mutter. Ihre Mutter hatte getrunken. Sie rief aus einem Restaurant an, und China hörte Stimmengewirr im Hintergrund. »Bleibt ja, wo ihr seid«, schrie ihre Mutter ins Telefon. »Die Straßen sind die reinste Eislaufbahn. Ihr dürft nicht mal daran denken, Auto zu fahren.«
    Nun, daran hatte sie sowieso nicht gedacht. Sie dachte eher daran, daß sie Jeremy für sich hatte, die ganze Nacht, im großen Bett im Zimmer seiner Mutter. Sie schliefen miteinander, seit sie sich am Ende ihres ersten Jahrs auf der Junior Highschool kennengelernt hatten, aber es war immer Sex im Auto, Sex auf dem Rasen oder auf einer Decke, immer hastiger Sex, nicht so, wie sie es gern gehabt hätte. Sie dachte immer daran, wie es im Film war, wo die Stars auf Betten von der Größe mittlerer Planeten übereinander herfielen und es wieder und wieder taten, bis sie in einem Haufen aus Kissen und Decken niedersanken, ihr Kopf auf seiner Brust, sein Arm um ihre Schultern geschlungen, die Musik verebbte zu einzelnen sanften Gitarrentönen, und alles im Bild schimmerte, als wäre es mit flüssigem Gold eingesprüht. So sollte es sein. Und so würde es sein. Zumindest heute nacht.
    Beim Telefonieren war sie in der Küche herumgewandert, hatte mit dem Hörer eine träge Sarabande getanzt und zugesehen, wie der Frost das Fenster über dem Ausguß zeichnete, kein Geräusch bis auf das leise Zischen der Eistropfen auf dem Dach, und jetzt zog sie die Tür des Gefrierschranks auf und nahm eine Packung Eiskrem heraus. Sie hatte Socken an, so dicke Socken, daß sie sich wie Pantoffeln anfühlten, und schwarze Leggings unter einem übergroßen Pullover. Die polierten Dielen zu ihren Füßen waren so glatt wie der Gehsteig dort draußen, und sie genoß dieses Gefühl, in ihren dicken Socken durch die Wohnung zu rutschen. »Hm-mmh«, sagte sie ins Telefon. »Hm-mmh. Ja, wir sehen uns gerade ein Video an.« Sie grub einen Finger in die Eiskrem und steckte ihn in den Mund.
    »Komm doch«, rief Jeremy aus dem Wohnzimmer, wo der Lustmörder bedrohlich im Standbild der Pause-Taste zitterte. »Du verpaßt noch das Beste hier.«
    »Gut, Mom, also dann«, sagte sie in den Hörer Abschiedsworte und legte auf. »Willst du Eis?« rief sie und schleckte sich den Finger ab.
    Jeremys Stimme antwortete ihr, eine Stimme im mittleren Tonhöhenbereich, die immer etwas zu rauh klang, die Stimme eines netten Kerls, eines sehr netten Kerls, der ohne weiteres der Star einer Fernsehshow über nette Kerle sein könnte. »Welche Sorte?« Er hatte breite Schultern und stramme Oberarmmuskeln, ein Lächeln, das von seinen Lippen zu den Augen hinaufhüpfte, und kurzgeschorenes Haar, das senkrecht von der Kopfhaut abstand. Und er sang die ganze Zeit – das liebte sie an ihm –, mit einer so klaren Stimme, daß er sich an jedes Lied wagen konnte, und es gab keinen Text, den er nicht wußte, sogar die auf dem Oldie-Sender. Sie löffelte Eiskrem in eine Schüssel und sah ihn in einer

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