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Schluß mit cool (German Edition)

Schluß mit cool (German Edition)

Titel: Schluß mit cool (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C Boyle
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einen Schmerz zu betäuben, körperlichen Schmerz, und zweitens war er im Urlaub, und wenn man sich nicht mal im Urlaub rechtschaffen zuknallen durfte, wann denn dann? Der dritte Grund war Gina. Er war so dicht dran gewesen, und dann hatte er es versiebt. Kriminelle Elemente . Er blickte zu den Polizisten auf, aus einer unbegründeten Neugier heraus, die fast im selben Moment in Bitterkeit umschlug: Wo waren sie gewesen, als er sie gebraucht hatte?
    Und dann bemerkte er etwas, das sein Herz einen Schlag aussetzen ließ: ihre Stiefel. Diese Typen trugen Stiefel, vorne spitz zulaufende Stiefel mit silbernen Kappen, die einzigen Stiefel in dieser Stadt. Niemand in Puerto Escondido hatte Stiefel an. Die konnten sich hier ja kaum Sandalen leisten, das waren Fischer, die verdienten ihren Lebensunterhalt mit einem Haken und zehn Metern Schnur, die sie um eine leere Pepsi-Plastikflasche wickelten, Dienstmädchen und fliegende Händler, Kleinbauern aus den Hügeln ringsherum. Stiefel? Ebenso hätte man an denen Armani-Blazer, Seidenhemden und Boxershorts mit Monogramm erwarten können. Die Erkenntnis traf ihn wie ein Hammer. Er mußte Gina finden.
    Es dämmerte schon, überall sah man Kinder, Hunde, Fischer, die bis zum Brustkorb im wogenden Wasser standen, Fledermäuse schwirrten, Sandflöhe hüpften vor seinen blind voranstampfenden Füßen davon. Der stete alkoholische Strom hatte ihn gestärkt – er spürte keinerlei Schmerz mehr, kein bißchen –, obwohl ihm klar war, daß er sich bald saubermachen und etwas essen mußte, vor allem, wenn er Gina treffen wollte. In ihm brodelte und toste es geradezu, und auf allen Gegenständen, von den Palmen über die palapas bis zu den am Strand verstreuten Felsen, schien plötzlich ein Pelz zu wachsen. Oder ein Flaum. Pfirsichflaum.
    Genau in diesem Augenblick trat er in das Erdloch und torkelte ungelenk auf die rechte Seite. Sein Gesicht grub eine Furche in den nassen Sand, und das angeschwollene Auge, in dem ohnehin der Bluterguß schwärte, bekam noch eine feine Schicht scharfer weißer Körnchen dazu. Aber es war kein Problem, gar kein Problem. Er rollte herum und lag eine Zeitlang auf dem Rücken, leise vor sich hin lachend. Kriminelle Elemente , dachte er und sprach den Gedanken auch laut aus, als die Leute sich auf dem Strand um ihn scharten. »Klar doch, klar doch. Und ich bin der Papst höchstpersönlich.«
    Als er endlich wieder im Hof seines Hotels war, zögerte er. Blieb einfach im matten Licht stehen wie eine Statue zu Ehren des verwirrten Touristen. Einerseits trieb ihn der Impuls, rasch auf sein Zimmer zu gehen, um sich den Dreck vom Körper zu waschen, irgend etwas mit seinem Haar anzustellen und ein frisches Hemd aus der Reisetasche zu fischen; andererseits verspürte er den ebenso starken Drang, eine Sekunde lang – nur eine Sekunde – den Kopf in die Bar zu stecken, um nachzusehen, ob Gina da war. Im Grunde war die Entscheidung klar. Also ging er hinein, seine Füße donnerten auf den Holzstufen, überall rieselte Sand von ihm herab, als hätte er in Zucker gebadet.
    Da. Da war die Kellnerin, sie musterte ihn mit seltsamem Blick – einer Mischung aus Hoffnung und Entsetzen –, da war das Dickicht der über Teller und Gläser gebeugten Gesichter, die Luft so dicht wie Wasser, der Barkeeper blickte ihn strafend an. Zuversichtlich betrat Lester den Speisesaal.
    Diesmal hatte er Glück: Gina saß an einem Tisch gleich um die Ecke von der Theke, am hintersten Tisch draußen auf der Veranda, die Beine übereinandergeschlagen, an den Zehen des einen Fußes baumelte ihr Schuh. Irgendwo spielte Musik, sickerte als leises Gedudel in die Nacht hinaus, mexikanische Musik, randvoll mit Zuckerguß-Trompeten und wimmernden Violinen. Es war ein romantischer Augenblick, oder es hätte einer werden können. Aber Gina sah ihn nicht kommen – sie saß zur anderen Richtung gekehrt, wandte ihm das Profil zu, dahinter toste die Brandung, das Haar fiel ihr glatt auf die Schultern herab – und erst als er das Ende der Theke erreicht hatte, bemerkte er, daß sie nicht allein war. Ihr gegenüber saß ein Mann, einen Drink in der einen Hand, eine Zigarette in der anderen. Lester registrierte schlenkernde rote Haare, Muskeln unter einem Lollapalooza-T-Shirt, ein schmales Insektengesicht.
    Im nächsten Moment baute er sich vor dem Tisch auf, zog einen Stuhl heran und ließ sich krachend hineinfallen, daß es durch das ganze Restaurant hallte. »Gina, hör mal«, sagte er, als wären sie

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