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Schluß mit cool (German Edition)

Schluß mit cool (German Edition)

Titel: Schluß mit cool (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C Boyle
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vielleicht war da auch ein kaum wahrnehmbarer Geruch nach seinem Vater, obwohl sein Vater schon so lange nicht mehr da war, daß er sich nicht einmal daran erinnerte, wie er ausgesehen, geschweige denn, wie er gerochen hatte. Fünf Tage. Und es war auch kein Regen angesagt, kein Tropfen. Er nahm nicht einmal seine Angel mit, und das war wirklich Liebe.
    Als das letzte Klingeln Chinas letzte Mathestunde beendete, wartete Jeremy am Randstein, im Volvo-Kombi seiner Mutter, und grinste sie durch die Windschutzscheibe an, während der Rest der Schule vorbeidrängte, alle in Gedanken an die Ferien. Man hörte Rufe und Flüche, T-Shirts wuselten durcheinander, Beine stelzten dahin, Hupen erklangen vom Parkplatz der älteren Schüler, die Schulbusse standen aufgereiht wie Schützenpanzer in Erwartung einer Invasion – Chaos, süßes Chaos –, und sie kostete den Anblick einen Moment lang aus. »Der Wagen deiner Mutter?« fragte sie, als sie auf den Beifahrersitz rutschte und ihm beide Arme um den Hals legte, um ihn für einen Kuß an sich zu ziehen. Er hatte ihre Jeans und Wanderstiefel mitgebracht, und sie würde sich auf der Fahrt umziehen, kein Grund zum Heimfahren, keine weiteren Umwege und Verzögerungen, ein kurzer Halt bei McDonald’s oder vielleicht bei Burger King, und danach nur noch Sonne, Wind, Mond und Sterne. Fünf Tage lang. Fünf volle Tage.
    »Ja«, sagte er, ihre Frage beantwortend. »Meine Mutter meinte, sie wollte sich nicht dauernd Sorgen machen, daß wir mitten in der Pampa eine Panne haben...«
    »Also fährt sie jetzt deinen Wagen? Sie will mit deinem Auto Immobilien verkaufen?«
    Er zuckte nur die Achseln und grinste. »Endlich frei«, sagte er und senkte dabei seine Stimme so, daß er genau wie Martin Luther King klang. »Danke dem Herrn, wir sind nun endlich frei.«
    Es war dunkel, als sie auf dem Parkplatz eintrafen, bei dem der Wanderweg anfing, und sie schlugen einfach ihr Zelt gleich neben der Straße auf, auf steinigem Boden in den Büschen, kein Platz auf der Welt war weniger angemessen und weniger gemütlich, aber sie waren zusammen, und sie hielten einander fest in den feucht raunenden Stunden der Nacht und schliefen fast gar nicht. Sie erreichten den See am Mittag des nächsten Tages, an den Bäumen sprossen die ersten Knospen, in der Luft lag der süße Duft nach sonnenbeschienenen Kiefern. Sie bestand darauf, das Zelt aufzuschlagen, nur für alle Fälle – es könnte regnen, man wußte ja nie –, aber er wollte sich nur auf einer grauen Isomatte ausstrecken und die Sonne im Gesicht spüren. Irgendwann schliefen sie beide in der Sonne ein, und als sie aufwachten, liebten sie sich gleich dort, unter den Bäumen, vor sich die weite blaue Fläche des Sees, in der sich das Blau des Himmels spiegelte. Zum Abendessen gab es gedämpftes Rindfleisch mit Reis, hinuntergespült mit heißer Schokolade und ein paar Spritzern Rotwein aus Jeremys Feldflasche.
    Am nächsten Tag, von morgens bis abends, verzichteten sie völlig auf ihre Kleider. Zum Schwimmen war der See natürlich noch zu kalt, aber sie konnten sich sonnen und die Gegend erkunden und dabei den Südwind auf ihren nackten Beinen spüren und an den Stellen, die noch kein Wind je berührt hatte. Das würde sie nie vergessen, dieses Gefühl, die Intensität ihrer Emotionen, den einfachen, unverfälschten Genuß, im Augenblick zu leben. Der Rauch des Holzfeuers. Das Duell der Taschenlampen im Dunkeln. Jeremys Gesichtsausdruck, als er ihr die Tüte mit fingerlangen Krebsen überreichte, die er am Vormittag gesammelt hatte.
    Was noch? Der Regen natürlich. Er brach in der Mitte des dritten Tages herein, Wolken von der Farbe von Eisenfeilspänen, auch der See wirkte wie gehämmertes Eisen, und das Unwetter krachte durch die Bäume und schlug mit tausend zornigen Fäusten auf ihr Zelt ein. Sie verkrochen sich im Schlafsack, teilten sich den Wein und eine Tüte mit Studentenfutter und lasen sich gegenseitig Liebesgedichte von John Donne (sie schrieb eine Arbeit für Mrs. Masterson zum Thema »Augen-Metaphorik in der Dichtung Donnes«) sowie das letzte Drittel eines Vampirromans vor, der exakt fünfhundertdreizehn Gramm wog.
    Und der Sex. Sie paßten auf, paßten immer sehr gut auf – Ich will nie im Leben so sein wie diese Karnickel, die ihre kreischenden verschwiemelten rotgesichtigen Babys auf die Uni mitbringen , sagte sie einmal zu ihm, und er stimmte ihr zu, unterstützte sie sogar vehement, bis das Thema eine Art Leitmotiv in ihrer

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