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Schluß mit cool (German Edition)

Schluß mit cool (German Edition)

Titel: Schluß mit cool (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C Boyle
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Beziehung wurde: die Karnickel, die eine überbevölkerte Welt noch weiter bevölkerten und dabei auch noch ihr eigenes Leben ruinierten –, doch sie hatte ihre Pille vergessen, und er hatte nur zwei Kondome eingesteckt, und es war ja nicht so, daß die nächste Drogerie gleich um die Ecke war.
    Im Herbst – genauer gesagt Ende August – packten sie ihre Autos und brachen jeder in sein College auf, er nach Providence, sie nach Binghamton. Es trennten sie knapp fünfhundert Kilometer, aber es gab das Telefon, es gab E-Mail, und im ersten Monat gab es auch noch die Samstagabende in einem Motel bei Danbury, aber die Fahrt dorthin war für beide ein echter Schlauch, wirklich, und so kamen sie überein, daß sie sich auf ihre Kurse konzentrieren und sich besser nur jedes zweite oder dritte Wochenende treffen sollten. Am Tag ihrer Abfahrt – und nein, sie wollte sich nicht von ihren Eltern hinbringen lassen, sie war erwachsen und konnte für sich selbst sorgen – begleitete sie Jeremy bis zur Bear Mountain Bridge, wo sie am Straßenrand hielten und sich umarmten, bis die Sonne hinter den Bäumen versank. Sie hatte ein Gedicht für ihn, von John Donne, und so etwas Trauriges hatte er noch nie gehört. Mehr als der Mond , so begann es, über zwei Liebende beim Abschied, die so viele Tränen vergossen, bis das Mädchen – die Frau, die Partnerin – mehr Kraft zum Heben der Gezeiten besaß als der Mond selbst, oder so ähnlich. Mehr als der Mond. So nannte er sie auch danach noch oft, weil sie weiß und rund war und immer runder wurde, und das war kein Witz, und es war kein Kosename.
    Sie war schwanger. Schwanger seit dem Campingausflug, wie sie annahmen, und es war ihrer beider Geheimnis, eine neue Konstante in ihrem Leben, eine unerbittliche Tatsache, die sich nicht mehr veränderte, egal, wie viele Schwangerschaftstests sie auch ausprobierten. Weite Sachen, das war das Stichwort, alles in Schwarz, Schlabberhosen, luftige Kleider, eine Jacke drüber, sogar im Sommer. Sie gingen in einen Laden, wo sie niemand kannte, und kauften ihr einen Hüfthalter, dann fuhr sie wieder auf ihr College nach Binghamton und er auf seins nach Providence. »Du mußt es wegmachen lassen«, sagte er in dem Motelzimmer, das zum Gefängnis geworden war. »Geh in eine Klinik«, bat er sie zum hundertstenmal, und draußen regnete es – oder nein, es war klar und kalt in dieser Nacht, ein Vorgeschmack des Winters. »Ich treibe das Geld dafür auf – das weißt du doch.«
    Sie antwortete nicht. Wollte ihn nicht einmal ansehen. Einer der Star Wars -Filme lief im Fernsehen, gewaltige flache Metallkolosse donnerten über den Bildschirm, und sie saß einfach nur reglos auf ihrer Seite des Bettes, die Schultern eingezogen, das Haar hing ungekämmt herunter. Draußen knallte eine Autotür – zwei Autotüren kurz nacheinander –, und eine Kinderstimme schrie: »Ich! Ich zuerst!«
    »China«, sagte er. »Hörst du mir überhaupt zu?«
    »Ich kann es nicht tun«, murmelte sie, und sie sprach mit ihrem Schoß, mit dem Bett, mit dem Boden. »Ich hab Angst. Ich hab solche Angst.« Im Zimmer nebenan hörte man Schritte schwer und wuchtig, dann das rasche Getrippel von Kinderfüßen und einen plötzlichen Schlag gegen die Wand. »Ich will nicht, daß es irgend jemand erfährt«, sagte sie.
    Er hätte sie festhalten können, hätte sich dicht neben sie setzen und die Arme um sie legen können, aber etwas flackerte in ihm auf. Er verstand es nicht. Kapierte es einfach nicht. »Was stellst du dir denn vor? Niemand wird es erfahren. Das ist ein Arzt, verdammt noch mal, für den gibt’s die Schweigepflicht, die Wahrung der Privatsphäre seiner Patienten und so weiter. Was willst du sonst tun, es etwa behalten? Ja? Einfach mit einem Baby auf dem Arm bei der Literaturvorlesung für Erstsemester aufkreuzen und sagen: ›Hallo, ich bin die Jungfrau Maria‹?«
    Sie weinte. Er sah es daran, wie ihre Schultern plötzlich absackten, und jetzt konnte er es auch hören, ein leises näselndes Gewimmer, das ihm mitten durchs Herz fuhr. Sie hob ihm das Gesicht entgegen und streckte die Hände aus, und dann saß er neben ihr, schaukelte sie in seinen Armen hin und her. Er spürte die Hitze ihres Gesichts an den harten Muskeln seines Brustkorbs, es wurde naß dort: Flüssigkeit, ihre Flüssigkeiten. »Ich will keinen Arzt«, sagte sie.
    Und das färbte alles ein, diese schlichte Ablehnung: das Leben mit den Zimmergenossen im Studentenheim, die Kneipenabende, das endlose

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