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Schluß mit cool (German Edition)

Schluß mit cool (German Edition)

Titel: Schluß mit cool (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C Boyle
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Herumgequatsche, den Geruch nach brennendem Laub und die Art, wie kurz vor dem Abendessen das Licht in breiten, dampfenden Bändern auf den Campus fiel, den inoffiziellen Skateboard-Club, alle Filme, Vorlesungen, Fantreffen vor dem Spiel und die Footballspiele selbst – all das brachte nichts mehr. Er hatte kein Leben mehr. Konnte kein richtiges College-Erstsemester sein. Konnte nicht morgens aufwachen und sich allmählich in den langsamen, stetigen Strom der Welt einklinken. Ständig mußte er an China denken. Oder nicht nur an sie – an sie und an sich und daran, was zwischen ihnen geschehen war. Denn jetzt stritten sie, sie kämpften und diskutierten und verhandelten miteinander, und es war ihm auch keine Freude mehr, sie in diesem Motelzimmer mit dem großen Bett und dem Riesenfarbfernseher zu treffen, wo sie sich mit den Seifen und Shampoos davonmachten, als wäre es Kriegsbeute. Sie war dickköpfig, stur, unvernünftig. Sie war verwöhnt, das merkte er jetzt, verwöhnt von ihren Eltern und Verwandten und deren Lebensstandard, von den sozioökonomischen Erwartungen ihrer Schicht – auch seiner Schicht – und von der Verheißung eines Lebens, wie es ihm gefiel, einer sich endlos erstreckenden Abfolge von Genüssen und Erwerbungen. Er liebte sie. Er wollte ihr nicht den Rücken kehren. Er würde für sie einstehen, egal, was passierte, aber weshalb mußte sie so dumm sein?

    Dicke Joggingsachen, riesige Pullover und weite Hosen, die sie verhüllten und ertränkten, das war ihr Leben auf dem Campus, Joggingsachen und die Mensa. Ihre Mitbewohnerinnen im Studentenheim kannten sie nicht, und was tat es schon, wenn sie zunahm? Alle nahmen zu. Wie konnte man auch all diese Kohlenhydrate, Zucker und Fett, die vielen Puddings, Nachos und das ganze andere Zeug fressen, ohne allein im ersten Semester fünf bis zehn Kilo zuzunehmen? Die Hälfte der Mädchen im Studentenheim watschelte herum wie die Plumpsäcke, die Gesichter verquollen und von Akne gezeichnet, voller verkrusteter Pickel und Eiterblasen, die sich aus fettiger Nahrung speisten. Na schön, sie nahm zu. Keine große Sache. »An mir gibt es noch andere Dinge zu lieben«, sagte sie ihrer Zimmergenossin, »und Jeremy gefalle ich so. Und das ist doch wirklich das einzig Wichtige.« Sie achtete darauf, immer allein zu duschen, sehr früh am Morgen, lange bevor die Sonne sich in den Fenstern rührte.
    In der Nacht, als ihre Fruchtblase platzte – es war Mitte Dezember, fast neun Monate danach, soweit sie mitgezählt hatte –, regnete es. Es regnete heftig. Die ganze Woche lang hatte sie angespannte, gepreßte Diskussionen mit Jeremy am Telefon geführt – Streitereien, Kämpfe –, sie hatte ihm gesagt, sie würde eher sterben, in die Wildnis kriechen und verbluten wie ein weidwundes Tier, bevor sie in ein Krankenhaus ginge. »Und was soll ich jetzt tun?« fragte er in gellendem kindlichem Jammerton, als wäre er es, dem man ein Kind angehängt hatte, aber sie wollte nichts davon hören, wirklich nicht.
    »Liebst du mich?« flüsterte sie. Es folgte eine lange Pause, ein Zögern, in das man alle Zuversicht der Welt hätte hineingießen können.
    »Ja«, sagte er schließlich, auch wenn seine Stimme so leise und widerwillig klang wie der letzte Seufzer eines alten Mannes.
    »Dann wirst du im Motel für uns reservieren.«
    »Und was dann?«
    »Dann – ich weiß nicht.« Die Tür ging auf, ihre Zimmerkollegin stand im Korridor da, wuchtige Rockmusik dröhnte vom Nebenzimmer herüber wie ein Luftangriff. »Ich finde, du solltest dir ein Buch darüber besorgen oder so.«
    Gegen acht hatte sich der Regen in Eisregen verwandelt, und alle Zweige der Bäume trugen einen glitzernden Mantel, überall auf der Straße lagen eisumhüllte abgebrochene Äste herum, kein Mond, keine Sterne, immer wieder rutschten die Reifen weg, und sie fühlte sich schwer und fett wie ein Sumo-Ringer, schwer und schwabbelig zugleich. Aus dem Studentenheim hatte sie ein Handtuch mitgenommen und unter sich auf den Autositz geschoben, aber es war beschmuddelt, alles war beschmuddelt. Sie hatte Krämpfe. Sie raufte sich die Haare. Sie versuchte sich mit dem Radio abzulenken, aber es ging nicht, lauter Songs, die ihr zuwider waren, grauenhafte Interpreten. Noch fünfunddreißig Kilometer bis Danbury, und die erste Wehe kam bereits, wie ein Schlaganfall, wie eine Messerklinge, die sich ihr ins Rückgrat bohrte. Ihre Welt beschränkte sich auf das, was die Scheinwerfer ihr zeigten.
    Jeremy wartete

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