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Schluß mit cool (German Edition)

Schluß mit cool (German Edition)

Titel: Schluß mit cool (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C Boyle
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ging zu Fuß zur Bushaltestelle. Spätnachts noch traf er in Danbury ein, trampte zum Motel hinaus und öffnete die Tür mit dem Schild »Nicht stören«. Eine Viertelstunde. Länger brauchte er nicht. Er packte alles ein, wischte alles weg, hinterließ den Schlüssel an der Rezeption und kratzte das Eis von der Windschutzscheibe seines Wagens, während die Nacht über ihm die glitzernde Schwärze des Himmels entlud. Er verschwendete keinen Gedanken an das, was da in Plastik gewickelt im Müllcontainer lag, nur ein Stück Fleisch, ein Stück kaltes Fleisch.
    Er befand sich auf dem Höhepunkt seines Traums, der Fluß sauste in seiner Strömung dahin, die tiefe Stelle unter dem Angelplatz, und die Fische flitzten wie silberne Kugeln auf seinen Köder zu, als sie ihn aufweckten – als Rob ihn weckte, Rob Greiner, sein Zimmernachbar, und Rob zog ein Gesicht wie eine Geröllhalde: hinter ihm in der Tür standen zwei Polizisten, und der Lärm des Studentenheims verebbte zu einem Flüstern. Seltsam, Polizisten paßten überhaupt nicht in diese Szenerie, und anfangs – während der ersten halben Minute jedenfalls – hatte er keine Ahnung, was sie von ihm wollten. Eine Strafe wegen Falschparkens? Konnte es das sein? Aber dann fragten sie ihn nach seinem Namen, nur zur Bestätigung, preßten ihm die Hände hinter den Rücken und ließen zwei Ringe aus kaltem Metall um die Gelenke schnappen, und da begriff er allmählich. Er sah McCaffrey und Turtle, die ihn aus ihren Zimmern anstarrten, als wäre er der Serienmörder Jeffrey Dahmer höchstpersönlich oder so, und alle anderen, das gesamte Studentenheim, jeder steckte den Kopf zur Tür hinaus, überall im Gang, während die Polizei ihn abführte.
    »Was soll denn das alles?« fragte er immer wieder, während der Streifenwagen durch die dunklen Straßen zum Polizeirevier fuhr, der Mann am Lenkrad und der Mann neben ihm ebenso sprachlos wie die Sitze oder das Drahtgitter oder das schimmernde schwarze Armaturenbrett, das sie vorwärts durch die Nacht zog. Und dann ging es die Stufen hinauf und in eine Explosion aus grellem Licht, noch mehr Männer in Uniform, hier hinstellen, her mit der Hand, und jetzt die andere, dann hinein in den Käfig, und los ging’s mit den Fragen. Erst jetzt dachte er an das Ding in dem Plastiksack und an das Geräusch, das es gemacht hatte – das der Leichnam gemacht hatte –, als er es in den Müllcontainer warf wie einen Sack Mehl und den Deckel zuknallte. Er starrte auf die Wände, und auch das war wie Kino. Er hatte noch nie in Schwierigkeiten gesteckt, war noch nie im Innern eines Polizeireviers gewesen, aber er spielte seine Rolle gar nicht übel, er hatte so etwas immerhin schon tausendemal im Fernsehen gesehen: alles abstreiten. Auch als die beiden Kriminalpolizisten sich in der kleinen Kiste des grellerleuchteten Raumes ihm gegenüber an den nackten Holztisch setzten, sagte er sich genau das: Streite es ab, streite alles ab!
    Der erste Detective beugte sich vor und legte beide Hände auf den Tisch, als wäre er für eine Maniküre hergekommen. Er war Ende Dreißig oder Anfang Vierzig, ein abgespannt aussehender Mann, dem sich all das Durcheinander, das er bereits erlebt hatte, wie Narben in die Haut unter den Augen gezeichnet hatte. Eine Zigarette bot er ihm nicht an (»Ich rauche nicht«, hatte sich Jeremy zu sagen vorgenommen, wenigstens das würde er preisgeben), und er lächelte auch nicht oder setzte eine freundliche Miene auf. Und als er sprach, enthielt seine Stimme keinerlei Gemütsbewegung, weder Empörung noch Drohung, noch Überzeugungskraft – es war nur eine Stimme, tonlos und müde. »Kennen Sie China Berkowitz?« fragte er.
    Und sie. Sie war in der nächstgelegenen Klinik, wohin sie der Krankenwagen gebracht hatte, nachdem ihre Zimmergenossin mit einer Stimme, als wäre ihr eine Gräte in der Kehle steckengeblieben, den Notruf gewählt hatte, und es regnete schon wieder. Ihre Eltern waren auch da, die Mutter schniefend und mit roten Augen, der Vater sah aus wie ein Schauspieler, der seinen Text vergessen hatte, und es war noch eine andere Frau dabei, eine Polizistin. Sie saß auf einem orangefarbenen Plastikstuhl in der Ecke, ganz versunken in ihre Strickerei auf dem Schoß. Zuerst hatte Chinas Mutter versucht, freundlich zu ihr zu sein, doch die Umstände paßten im Grunde nicht zu Freundlichkeit, deshalb schenkte sie ihr jetzt keine Beachtung mehr, denn es stand die höchst unfreundliche Tatsache im Raum, daß China in

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