Schluß mit cool (German Edition)
mit Allüren in Richtung Drei-Sterne-Status, dann sind da noch eine gemütliche Bar und eine Terrasse mit einer Zehn-Millionen-Dollar-Aussicht über die Stadt und den Hafen. Die harten Trinker – Frauen der Dozenten von der nahen Uni, reiche Witwen, Fakultätsvorstände beim Bewirten von Gastprofessoren – gehen erst gegen eins essen, manche noch später, deshalb konnte die Cocktailkellnerin für mich einspringen und im Alleingang die zwei Glas Sauvignon blanc ausschenken und die eine Flasche alkoholfreies Bier öffnen. Nicht daß ich mich nicht untertänigst bei ihr entschuldigt hätte – mag sein, daß ich schon elf Jahre an meiner Magisterarbeit sitze, aber den Job hier nehme ich immer ernst.
Es war ein typischer Tag an der Küste Südkaliforniens, zweiundzwanzig Grad Wassertemperatur und gut siebenundzwanzig bei uns auf der Terrasse, also hatten wir eine Zeitlang ziemlich zu tun. Ich schüttelte Martinis und Manhattans, entkorkte eine Flasche Merlot und Viognier nach der anderen, zerteilte körbeweise Obst für die süßen Rum-Cocktails, die anscheinend wieder in Mode kamen. Es war Arbeit – einfach, repetitiv, geistlos –, und ich ging in ihr auf. Als ich wieder aufblickte, war es zehn vor drei, und die Mittagskundschaft verlief sich langsam. Auf einmal fühlte ich mich so erschöpft, als wäre ich letzte Nacht auf einer ausgedehnten Zechtour gewesen, dabei hatte ich einfach nur vor dem Computer gehockt, bis mir die Augen zufielen. Ich stempelte meine Karte, fuhr nach Hause und fiel ins Bett, als hätte man mir eins mit der Dachlatte übergezogen.
Ich hatte den Wecker auf 16.30 Uhr gestellt, damit ich Zeit hatte, mir mit dem Elektrorasierer übers Gesicht zu fahren, ein frisches Hemd anzuziehen und zurück zur Arbeit zu fahren, und das hätte auch funktioniert, wäre da nicht der Computer gewesen. Ich sah auf die Walnußfurnieruhr auf dem Kaminsims, als ich mir die Krawatte band – es blieben mir zehn Minuten Zeit –, also setzte ich mich an den Schreibtisch für einen raschen Blick in die Peep Hall. Aus irgendeinem Grund – zur Abwechslung vermutlich – klickte ich auf »Wohnzimmer Kamera 1« und sah, daß dort zwei der Mädchen, Mandy und Traci, zu einem Fernsehprogramm Gymnastik machten. Splitternackt. Sie sprangen Hampelmänner, als das Bild sich auf dem Schirm aufbaute, ihre Hände klatschten über den Köpfen zusammen, die Brüste schlackerten, dann wechselten sie, in perfekter Synchronisation, in den Hockstütz, dabei starrten sie in die Kamera, die Arme durchgestreckt, und ließen ihre Beine vor- und zurückschnellen. Es war eine fesselnde Vorführung. Ich sah fasziniert zu, während sie zu Aerobics übergingen, dann ein bißchen Gewichtheben mit Dreipfünderhanteln und mit etwas, das aussah wie ein mit Blei beschwerter Gehstock, bis sie sich schließlich gegenseitig abtrockneten. Ich war zwanzig Minuten zu spät im El Encanto.
Diesmal ging es nicht so einfach ab. Jason, der Geschäftsführer, stand hinter der Theke, als ich hereinkam, und sein Blick ließ mich sogleich wissen, daß er nicht allzu erfreut war über diese unerwartete Gelegenheit, Cocktailzwiebeln und Erdnüsse an einen ganzen Saal mit sonnenverbrannten Hotelgästen, verzückten Touristen und Golfspielern auszuteilen, die vor dem Abendessen ein paar Drinks kippten. Er sagte kein Wort. Ließ nur alles fallen, was er gerade tat (die Zutaten für eine Mango-Margarita in den Mixer gießen), schob sich an mir vorbei und eilte den Gang entlang in sein Büro, als würde ihn dort die große Welt erwarten. Jason war sechs Jahre jünger als ich, führte einen Doktortitel in Geschichte von einer Universität, die wesentlich prominenter war als die in unserem kleinen Kaff, und verfügte über einen ausgesuchten Wortschatz. Ich hätte gut ohne ihn leben können. Jedenfalls klapperte ich erst mal die Gäste ab, lächelte jeden einzelnen fröhlich an – sogar den Verrückten in Schottenmütze und Knickerbockern, der am Ende der Theke Rum mit Red Bull trank – und erneuerte überall Drinks, Servietten und die Schüsseln mit Brezeln und Nüssen. Beim Mixen war ich äußerst großzügig.
Gegen sieben Uhr füllte sich der Saal allmählich. Es war meine Lieblingszeit des Tages: die Luft duftete und war unbewegt, die Sonne suchte sich einzelne Palmen und Blumenbeete zum Bestrahlen aus, ehe sie im Meer versank, die Menschen beugten sich in einer stillen Ehrfurcht über ihre Horsd’œuvres, als wären sie ausnahmsweise mal wirklich dankbar für
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